Accenture erfindet sich abermals neu

„Hast Du keine Antwort auf eine Frage, dann stell Dir doch einfach eine andere Frage!“ Nach diesem Motto löst Accenture derzeit die Frage nach der richtigen Organisationsstruktur für sein 275.000 Mitarbeiter zählendes Unternehmen, das Systementwicklung, IT-Implementierung, IT-Beratung, Managementberatung und Outsourcing in 120 Ländern weltweit betreibt.

Statt auf Teufel komm heraus dafür sorgen zu wollen, dass aus Unternehmensberatern und Technologieexperten integrierte Teams werden, habe sich Accenture entschieden, alle einfach das sein zu lassen, was sie sind: Stand-alone-Dienstleistungslieferanten. Wie der britische Marktforscher Source for Consulting schreibt, habe sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass IT-Beratungshäuser zumindest aus Kundensicht keine wirklich zufriedenstellenden Antworten auf die Frage gefunden hätten, wie ihre Beratertruppen und ihre Technologieexperten idealerweise zusammenarbeiten sollten. Im Kampf um die Vorherrschaft hätten mal die Berater- mal die Technologieexperten die Deutungshoheit für sich in Anspruch genommen und sich zum Zugpferd des Geschäfts erklärt. Die beiden Welten seien jedoch – so Source for Consulting – im Recruiting, den Gehaltsspannen und ihrer Kultur so unterschiedlich, dass sie einfach nicht zusammenpassten. Vor allem hätten die Kunden bei keiner der bisher praktizierten Organisationsstrukturen den eigentlichen Mehrwert für sich entdecken können.

Antwort A wäre gewesen, die Beratertruppe in Wirklichkeit als Vertriebsheer zu verstehen. Die Berater hätten den Vorteil, dass sie – weit über die IT-Funktion hinaus – leichter mit den übrigen Abteilungen der Kundenunternehmen ins Gespräch gekommen wären und so den Fuß in die Tür bekommen hätten. Die Kunden hätten dann aber den Beratern immer unterstellt, dass sie als verdeckte Vertriebler von gesetzten Technologieprodukten schlecht objektiv beraten könnten und dass sie vor allem daran interessiert seien, möglichst große IT-Beratungsprojekte an Land zu ziehen.

Antwort B wäre vordergründig für die Kunden attraktiver gewesen, weil der Fokus auf einer intensiveren Post-Sales-Betreuung gelegen hätte. Das Argument des IT-Lieferanten hätte bei dieser Vertriebsvariante gelautet: „Du bekommst bei uns einen besseren Service, weil bei uns Technologieexperten und Berater zugleich arbeiten“. Die Kunden hätten aber in aller Regel die Schwierigkeit gehabt, den Mehrwert dieser zusätzlichen Beratungskomponente einschätzen zu können, mehr noch: sie hätten sie häufig gar nicht ausmachen können.

Vergleiche man Antwort A und Antwort B miteinander, so komme man zu der eigentlichen Fragestellung: Wenn die Kunden noch die Schnittstelle zwischen Beratungs- und Technologieteams ausmachen können, dann sind diese nicht wirklich gut integriert. Wenn hingegen Berater und Technologieexperten nach außen hin als Einheit erschienen, stelle sich automatisch die Frage, warum die Kunden bereit sein sollten, für bestimmte Services/Beratungsangebote Premium-Tagessätze zu bezahlen.

Nach dem Bericht von Source for Consulting soll sich Accenture nun entschieden haben, die Puzzleteile gar nicht mehr zusammensetzen zu wollen, sondern nach dem Motto zu verfahren: Ist doch egal, wie die Arbeit gemacht wird, Hauptsache die Ergebnisse stimmen. Accenture beschränke sich auf das „holding Company“ – also darauf, die Plattform darzustellen, über die ein Portfolio an Industrien und Funktionalitäten abgedeckt wird.

Ablesen lässt sich das auch an der Schaffung einer neuer Unternehmenssparte: Accenture rief im Dezember 2013 „Accenture Digital“ ins Leben und bündelt unter diesem Dach sein gesamtes digitales Leistungsportfolio, also digitales Marketing, Datenanalyse und Mobility inklusive Software und Services. War sonst immer die Frage, wie technologischer Support und Beratung als Zahnräder ineinandergreifen (und sich gegenseitig eher zermahlen), schafft Accenture nun einfach die Zahnräder ab.

Für das britische Marktforschungsinstitut Source for Consulting ist das ein bemerkenswerter Wandel. Schließlich sei Accenture schon in der Vergangenheit stets in der Lage gewesen, sich neu zu erfinden und reagiere traditionell früh auf Marktsignale. So habe Accenture beispielsweise als erstes Beratungshaus den Einstieg in das Outsourcinggeschäft gewagt und als erste westliche Firma, die Chancen, aber auch die Risiken des Offshorings erkannt. Und auch nach dem Verlust seines Ursprungsnamens (Andersen Consulting) habe Accenture erfolgreich eine neue Gestalt angenommen. Das Unternehmen beherrsche es, sich zu verändern – und das sollten gerade die Wettbewerber zur Kenntnis nehmen.

Quellen: Source for Consulting, 19.November2013                                                                        http://www.sourceforconsulting.com/blog/2013/11/19/accenture-reinvents-itself-again/

Accenture Pressemitteilung, 4. Dezember 2013

http://www.accenture.com/de-de/company/newsroom-germany/Pages/accenture-launches-new-corporate-digital-division.aspx