Nach neunjähriger Amtszeit des derzeitigen Weltchefs Hans-Paul Bürkner, der eine sehr erfolgreiche, aber auch für viele BCGler zu vertriebsorientierte Expansionsstrategie verfolgte, steht Lesser für einen Neuanfang. Der studierte Chemieingenieur und Harvard-Absolvent überzeugte seine 750 BCG-Partner mit der Vision, wieder an die alte BCG-Tradition der intellektuell brillanten Strategieberatung mit sozialem Gewissen anzuknüpfen.
Kein zweites Beratungshaus leistet sich so viel Basisdemokratie wie BCG. "Bei uns ist es fast wie bei der Piratenpartei. Jede Partner-Stimme wiegt gleich schwer, und die intensiven Diskussionen über den zukünftigen Kurs hatten eine selbstreinigende Wirkung", zitiert die Wirtschaftswoche einen BCG-Partner. Die Wahl von Rich Lesser zeugt denn auch von der Sehnsucht vieler BCG-Partner, nach dem rigiden Wachstumskurs wieder mehr Großzügigkeit walten zu lassen - vor allem im Umgang der Beraterkollegen miteinander. In der ersten Rede nach seiner Wahl auf dem internationalen Partnertreffen von BCG in Peking unterstrich Lesser, dass er es als seinen Auftrag ansehe, "die einzigartige Unternehmenskultur von BCG und das Erbe des innovativen Vordenkertums zu bewahren." Die Zukunft von BCG liege darin, Unternehmen rund um den Globus dabei zu unterstützen, ihr einzigartiges Profil herauszuarbeiten, damit sie ihre Wachstumschancen besser nutzen können. Kritisch sieht Lesser dabei die zunehmende Industrialisierung der Unternehmensberaterbranche. Mit Standardprodukten ließen sich nun mal keine individuellen Wettbewerbsvorteile heben. Im Kampf gegen die zunehmende Industrialisierung sieht Lesser McKinsey als Verbündeten an. Der Weltchef der Nummer eins in der Strategieberatung, Dominic Barton, gehörte denn auch zu den ersten Gratulanten von Rich Lesser.
(26. Mai 2012) Quelle: Wirtschaftswoche