Berater zerstören Sitte und Anstand

Die Wochenzeitung "Die Zeit" geht mit den Unternehmensberatern hart ins Gericht. "Diese satanische Schutzgestalt der Spätmoderne hat wahrscheinlich mehr für die Zerstörung von Anstand und Sitte, von Tradition und Gewissen getan als jede Strukturkrise", schreibt Zeit-Autor Jens Jessen in einem Feuilleton-Beitrag zu dem neuen Buch "Die schöne neue Welt der Angestellten" von Christoph Bartmann, Direktor des Goethe Instituts in New York.

Franz Kafka, Stendhal, Fernando Pessoa - die bürokratische Verwaltung des 19. und 20. Jahrhunderts sicherte durch anspruchslose Tätigkeiten vielen Schriftstellern und Denkern das Überleben. Das Büro diente damals noch als Schonraum der untüchtigen Träumer und bescherte der Menschheit so manchen Geniestreich. Spätestens seitdem die Managementgurus der Postmoderne und ihre Wanderprediger, die Unternehmensberater, in den Unternehmen das Hohe Lied der Effizienzsteigerung und absoluten Flexibilisierung angestimmt hätten, sei für Geniestreiche im Büro kein Platz mehr.

Moderne Managementtheorien predigten Freiheit und Eigeninitiative. Die ständige Selbstbeobachtung erziehe jedoch zu übertriebenem Kontrollwahn und hätte einen neuen Menschen hervorgebracht: den hundertprozentigen Büroangestellten, der außerhalb des Büros gar nicht mehr lebensfähig wäre. Nach dem Motto: Die Firma ist das Leben, und das Leben die Firma.

Jessen spitzt Baumanns Beobachtungen in "Der Zeit" zu: "Die Unternehmensberater haben das Virus der Krankheit verbreitet, an deren Ende Universitäten nicht mehr nach der Leistung für die Wissenschaft, Kliniken nicht mehr nach der Gesundheit der Patienten, Armeen nicht nach ihrer Wehrhaftigkeit und Theater nicht nach ihrer Kunst beurteilt werden, sondern alle zusammen nur nach ihrer ökonomischen Effizienz, nach Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und bestenfalls nach dem Erfolg ihrer Reklameanstrengung in eigener Sache."

(15.03.2012) Quelle: Die Zeit

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