100 Jahre lang hat das Geschäftsmodell der Strategieberater gehalten. 100 Jahre lang haben die extreme Intransparenz und die hohe Veränderungsdynamik, die dem Beraterberuf per se innewohnen, ihn quasi immun dagegen gemacht, selbst durch Neuheiten verdrängt zu werden. Doch folgt man dem amerikanischen Managementguru und Spezialisten für disruptive Innovation Clayton Christensen, so steht die Branche jetzt unmittelbar vor einem Scheitelpunkt: „Dieselben Kräfte, die schon so viele Geschäfte von der Stahl- bis zur Verlagsbranche umgewälzt haben, sorgen jetzt dafür, dass sich die Beraterbranche neu formieren muss“, sagt der Professor aus Boston.
Schuld hat der Trend zur Transparenz. Ein Jahrhundert lang hätten die Strategieberater davon gelebt, „smarte Außenstehende für eine begrenzte Zeit in Organisationen zu schicken, um dort Lösungen für die schwierigsten Probleme der Kundenunternehmen vorzuschlagen“, argumentiert Clayton Christensen. Wegen der hohen Intransparenz des Geschäfts seien die Kunden lange Zeit dazu gezwungen gewesen, Reputation, hohe Preise, eloquentes Auftreten und Elitedenken als Garant für Qualität zu akzeptieren. Doch der technologische Fortschritt, der Aufstieg neuer Dienstleister und die Tatsache, dass Zigtausende von Ex-Beratern mittlerweile auf der anderen Seite des Schreibtisches säßen – also beim Kunden – führten dazu, dass die Auftraggeber der Berater die Serviceangebote zunehmend entbündelten und nur noch den Ausschnitt aus dem Gesamtpaket kauften, den sie wirklich benötigten – kostengünstiger und schneller.
Heute gibt es Software und technologie-basierte Lösungen für Datenanalysen und Research, Wissensplattformen und -netzwerke, die Kunden mit erfahrenen Industrie- und Fachexperten zusammenbringen und Netzwerkmanager, die schlanke und zugleich erfahrene Projektteams aus Freelancern zusammenstellen, ebenfalls weitaus kostengünstiger und mit hoher Seniorität. Dieser knallharte Ausleseprozess hat bereits dafür gesorgt, dass das Preisniveau in den letzten fünf Jahren um 20 Prozent eingebrochen ist.
Ein Trostpflaster bleibt, kommentiert die Suchmaschine Consultingsearcher Christensens Aufsatz: „Das traditionelle Beratungsgeschäft wird nicht aussterben. Vor allem dann nicht, wenn bei Projekten Fragenstellungen, Vorgehen und Lösungen noch sehr unklar und undefiniert sind und so einen höheren Preis des ‚expertenbasierten Lösungsanbieters’ rechtfertigen“.
Quellen: Harvard Business Review, Consultingsearcher, WirtschaftsWoche