Das duale Studium in Deutschland boomt. Unter diesen begriff fallen Studienangebote, die akademische und betriebliche Ausbildung miteinander verbinden. Die Zahl der Studierenden, die ein Studium mit einer Berufsausbildung oder längeren Praxisphasen in einem Unternehmen kombinieren, ist zwischen 2004 und 2019 um das Vierfache angestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des CHE Centrum für Hochschulentwicklung und des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb). Aktuell sind danach etwa 122.000 Personen in einem der rund 2.000 dualen Studiengänge an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Gemessen an der Gesamtzahl der Studierenden und Studienanfänger ist das jedoch nach wie vor eine Nische. Ein duales Studium absolvieren in Deutschland rund 4,2 Prozent der Studierenden und 4,6 Prozent aller Erstsemester haben sich zuletzt für die Kombi aus Theorie und Praxis entschieden.
Bundesweit erhebliche Unterschiede bei der Vergütung
Die Analyse von CHE und f-bb zeigt deutliche Unterschiede beim dualen Studium je nach Bundesland. So ist etwa in Bayern jeder fünfte Studiengang ein duales Angebot, in Bremen und Sachsen-Anhalt nicht einmal jeder zwanzigste. Die stärkste Nachfrage ist mit deutlichem Abstand im Saarland zu beobachten, wo fast 30 Prozent aller Studierenden in einem dualen Studiengang eingeschrieben sind. Das übersteigt den Bundesdurchschnitt um rund 26 Prozent. Bemerkenswerte Unterschiede gibt es auf Länderebene auch bei der Vergütung. So erhalten dual Studierende im Saarland von den kooperierenden Unternehmen des Studiengangs monatlich im Durchschnitt 627 Euro, in Hessen dagegen 1.115 Euro.
Studierende überwiegend zufrieden
Insgesamt zeigen sich die Hochschulen, Studierenden und Unternehmen mit dieser Studienform sehr zufrieden, auch wenn die enge Kooperation der Lernorte hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt und hier nach wie vor der meiste Verbesserungsbedarf besteht. Als sehr wichtigen Entscheidungsgrund für ein duales Studium nennen drei Viertel der befragten Studierenden eine gute berufliche Perspektive. Doch trotz allgemein hoher Zufriedenheit hat immerhin ein Viertel der Befragten schon einmal über einen Wechsel des Unternehmens oder Studiengangs nachgedacht. Sigrun Nickel, eine der beiden Projektleiterinnen der Studie, unterstreicht angesichts dieser Werte die Notwendigkeit, für eine gute Theorie-Praxis-Verzahnung im dualen Studium zu sorgen. „Insbesondere bei der Qualitätssicherung der Praxisphasen könnten Hochschulen und Unternehmen als gemeinsame Anbieter nachschulischer Bildungsangebote noch mehr tun. Hier kommt auch den betrieblichen Ausbildungs- und Studienplänen ein hoher Stellenwert zu“, sagt sie.
Verschiedene Varianten möglich
Die überwiegende Mehrheit der dual Studierenden studiert einen Bachelorstudiengang an einer Fachhochschule bzw. Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) oder einer Dualen Hochschule. Zwei Drittel sind an einer öffentlichen Hochschule eingeschrieben. Knapp 75 Prozent entscheiden sich dabei für die praxisintegrierende Variante ihres Studiums, bei der das Studium an der Hochschule mit längeren Praxisphasen im Unternehmen kombiniert wird. Davon zu unterscheiden ist die ausbildungsintegrierende Variante – eine Verbindung von Studium und Berufsausbildung – und die berufsintegrierende Form.
Noch Luft nach oben
Mehr als ein Drittel aller dual Studierenden ist in einem Studiengang der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften eingeschrieben. Ebenfalls stark nachgefragt sind duale Angebote aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften (23 %) und Gesundheitswissenschaften (15 %). Insbesondere im Bereich Gesundheit und Pflege sehen die Studienautoren noch viel Wachstumspotenzial. Eine Hürde für den Siegeszug dualer Studienangebote bilde derzeit aber noch die unzureichende Abstimmung zwischen Hochschulen und Unternehmen. Dazu komme die mangelnde Qualitätskontrolle vor allem der betrieblichen Ausbildung: „Insbesondere bei der Qualitätssicherung der Praxisphasen könnten Hochschulen und Unternehmen gemeinsam noch mehr tun“, mahnt Studienautorin Nickel vom CHE. Abhilfe sei bereits in Sicht: Bundesweit arbeiten die Kultusminister mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) derzeit an Empfehlungen fürs duale Studium.
Einstiegsjob so gut wie sicher
Nachwuchskräfte im Rahmen eines Dualen Studiums auszubilden, hat für Unternehmen viele Vorteile: Drei Viertel der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen schätzen die Praxisnähe, zwei Drittel die frühe Mitarbeiterbindung und die Chance, Studierende schon vor dem Abschluss einarbeiten zu können, ergab die Umfrage. Zudem sind die Abbruchquoten deutlich niedriger als im konventionellen Studium. Wer sich für ein duales Studium entscheidet und es erfolgreich absolviert, muss sich in der Regel keine Gedanken um den ersten Job nach dem Abschluss machen.
Quellen: Zur vollständigen Studie, Artikel im Handelsblatt (paywall)