Herr Schreiner, wie läuft das Beratungsgeschäft rund um die Supply Chain zurzeit?
Wir können nicht klagen. Wir planen unser Team von 30 auf 50 Consultants aufzustocken. Gefragt ist nach wie vor Kostensenkung und Working Capital-Optimierung, aber viele Unternehmen verfolgen auch wieder ganz klare Wachstumsstrategien und wollen sich daher im operativen Geschäft neu aufstellen. Wir helfen ihnen dabei, ihre Lieferketten neu zu sortieren - egal ob im Einkauf, in der Produktion, in der Distribution oder in der Planung.
Welche Kandidaten kommen für Ernst & Young als Berater für Supply Chain Management in Frage?
Als wir vor kurzem die Stellenanzeigen geschaltet haben, sind wir von Bewerbungen ziemlich überrollt worden. Am Ende haben wir dann zwei Drittel Hochschulabsolventen eingestellt und zu einem Drittel Kandidaten, die schon zwei, drei Jahre Berufserfahrung in der Industrie gesammelt haben. Vom fachlichen Hintergrund war alles dabei - vom BWLer, der sich im Studium im Schwerpunkt mit Handel beschäftigt hat, über den Wirtschaftsingenieur bis hin zum bereits praxiserfahrenen Einkäufer und Logistiker. Wir suchen aber auch sehr erfahrene Manager mit bis zu zehn Jahren Erfahrung.
Der Einstieg ins Beratungsgeschäft galt lange Zeit als sicherer Karriere-Booster. Gilt das immer noch?
Was nach wie vor gilt, ist dass Sie als Unternehmensberater in keinem anderen Job so viel verschiedene Unternehmen und Aufgabenstellungen in so kurzer Zeit kennenlernen. Und das hilft vielen jungen Menschen, sich erst einmal selbst darüber klar zu werden, welcher Bereich am besten zu ihnen passt. Vom ersten Tag an sind unsere Nachwuchs-Consultants Teil eines Projektteams und arbeiten vor Ort beim Kunden. Die Zeit der Traineeprogramme ist vorbei. Trainiert wird nach dem Prinzip "Learning on the job" und zwischendurch gibt es natürlich immer wieder Trainingseinheiten - beispielsweise zu Präsentations- und Verhandlungstechniken, aber auch zu fachbezogenen Themen. Unsere Einsteiger beschäftigen sich anfangs vor allem mit der Beschaffung und Aufbereitung der Analysedaten. Und davon gibt es im Einkauf und der Supply Chain jede Menge. Später lernen sie die Daten anständig zu interpretieren und daraus praxistaugliche Strategien zu entwickeln und diese anschließend mit dem Kunden umzusetzen.
Klingt nach viel Arbeit. Was verdienen Nachwuchs-Consultants denn so bei Ihnen?
Das Einstiegsgehalt liegt bei uns je nach Qualifikation zwischen 42.000 und 46.000 Euro. Bei der Entscheidung, erst einmal ins Beratungsgeschäft einzusteigen, spielt bei vielen Kandidaten das Gehalt allerdings weniger eine Rolle als die Karrierechancen, die sich später aus einer Beratungstätigkeit ergeben können. Nicht wenige wechseln nach drei bis vier Jahren in die Industrie, weil sie von einem unserer Kunden ein gutes Jobangebot bekommen haben. Zurzeit sind die Karrierechancen im Einkauf wahnsinnig gut, aber auch die Logistik wird ihren Hype wieder feiern.
Haben Sie noch einen Tipp für Studenten, die sich bei Ihnen vielleicht später einmal bewerben wollen?
Viele gerade der neuen Studiengänge für Logistik und Supply Chain Management sind für unseren Geschmack fast schon zu spezialisiert. In den Bewerbungsgesprächen merken wir sehr schnell, wenn jemand zu schmal oder zu theoretisch ausgebildet ist. Was auch auffällt, ist dass viele Kandidaten zu wenig zielorientiert ihre Praktika auswählen. Wer sich mit Lieferketten beschäftigen will, sollte auf jeden Fall die Chance nutzen, schon während der Studienzeit die verschiedenen Funktionen entlang der Wertschöpfungskette kennenzulernen. Zum Beispiel, indem man in den Ferien im Lager jobbt. Wichtig ist es auch, nicht wahllos mal ein Praktikum im Marketing oder Controlling zu machen, sondern ganz gezielt Praktika in die einzelnen Funktionen entlang der Wertschöpfungskette hineinzuschnuppern - im Einkauf, in der Distribution und in der Logistik.
Das Gespräch führte Julia Leendertse
(8. September 2010)