"Jede Stunde eines guten Mitarbeiters ist uns willkommen"

Stefan Wolff, Vorstandsvorsitzender der Logistikberatung 4flow AG, über die Zukunft der Arbeit in der Logistik.

Jobguide: Herr Dr. Wolff, laut einer BVL-Umfrage haben mittlerweile vier von fünf Logistikunternehmen in Deutschland Zusatzangebote entwickelt, um als Arbeitgeber im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiver dazustehen. Ist es wirklich schon so schwer, gute Leute mit akademischem Hintergrund in Logistik und Supply Chain Management zu finden?

Stefan Wolff: Gut ausgebildete Leute zu finden, die von ihrem Denken und ihrer Persönlichkeit her gut zum Unternehmen passen, war schon immer schwer. Bei 4flow haben wir im vergangenen Jahr 3.500 Bewerbungen sondiert, um am Ende 30 neue Mitarbeiter zu gewinnen. Wir haben ein sehr strenges Personalauswahlverfahren. Das Team muss wirklich überzeugt sein, dass jemand zu uns passt. Deshalb führen Kandidaten, die bei uns in die engere Wahl gekommen sind, persönliche Interviews mit fünf verschiedenen Kollegen. Wenn nur einer von den fünf Interviewern nach dem Gespräch Zweifel anmeldet, erhält der Bewerber kein Angebot.

Jobguide: Das hört sich nicht gerade so an, also litte Ihr Haus unter Bewerbermangel?

Stefan Wolff: Nein. Aber das bedeutet nicht, dass der Fachkräftemangel in der Logistik nicht zunehmend zum Problem wird und wir uns als Arbeitgeber dessen auch bewusst wären. 4flow profitiert jedoch davon, dass wir uns seit unserer Gründung vor elf Jahren mit unserer Personalarbeit an den Bedürfnissen unserer Mitarbeiter orientiert haben. Unser Ruf, zu den führenden Logistikberatungen zu gehören, hängt stark davon ab, ob wir als Arbeitgebermarke gerade für die besonders qualifizierten Fachkräfte attraktiv sind. Anders als klassische Strategieberatungen wie McKinsey oder BCG, die Fluktuationsraten von 20 Prozent haben, ist uns als Logistik-Fachberatung, Anbieter von Logistiksoftware und Dienstleistungen rund um das Thema Logistikmanagement zudem daran gelegen, dass sich gute Leute auch langfristig bei uns wohlfühlen. Unsere Fluktuationsrate liegt bei etwa fünf Prozent.

Jobguide: Lassen Sie mich raten - Ihr Haus ist familienfreundlich, sie bieten flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle an und bezahlen gut?

Stefan Wolff: Stimmt. Aber daneben geht es auch um individuelle Entwicklungsmöglichkeiten. Der Vertriebscrack kann bei 4flow gleichermaßen aufsteigen wie derjenige, der fachlich topfit ist, dem aber das Verkaufen keinen Spaß macht. Partner werden kann jeder ab dem Senior Consultant-Level, wenn er sein eigenes Geld in das Unternehmen einbringt. Ob aber jemand bereit ist, private Mittel in die Firma zu investieren oder nicht, ist völlig davon entkoppelt, ob er in der Hierarchie auch weiter aufsteigt. Wenn ein Mitarbeiter wegen der Geburt eines Kindes oder der Pflege eines Angehörigen kürzer treten will, kann er selbst entscheiden, ob er seine Arbeitszeit auf 80, 50 oder auch 20 Prozent reduzieren will.

Jobguide: 4flow beschäftigt 150 Mitarbeiter, Sie sind also kein Großkonzern, aber wenn jeder Ihrer Leute Extrawürste gebraten bekommen wollte, könnten Sie doch Ihre Unternehmensberatung dicht machen.

Stefan Wolff: Zugegeben, Beratungsprojekte lassen sich nicht umsetzen, wenn von vier Teammitgliedern drei gleichzeitig ihre Arbeitszeit auf 40 Prozent runterfahren und es kostet viel Mühe, auf die individuellen Belange einzugehen. Aber wenn wir uns einmal für jemanden entschieden haben, verfahren wir nach dem Motto: Jede Stunde, die Du uns Deine Arbeitskraft zur Verfügung stellst, ist uns willkommen. Und Du entscheidest, wie viel Zeit Du uns einräumst. Die vergangenen elf Jahre haben gezeigt, dass alles nur eine Frage der Organisation ist und dass sich die Mühe lohnt, auf die Mitarbeiter einzugehen.

Jobguide: Laut einer Prognos-Studie wird es bis 2030 in der deutschen Industrie 800.000 Erwerbstätige weniger geben, aber 500.000 Beschäftigte mehr in unternehmensnahen Dienstleistungen und es könnten der Wirtschaft 2,4 Millionen Akademiker fehlen. Haben Sie schon eine Vorstellung davon, wie die Arbeitswelt der Zukunft in der Logistik aussehen wird?

Stefan Wolff: Ich glaube, dass wir mit unserer Art Personalarbeit angesichts dieser Entwicklung genau richtig liegen. Wir beschäftigen hoch qualifizierte Logistikexperten, die sich in Zukunft einzelne Unternehmen nicht unbedingt leisten können. Neben der Logistikberatung bieten wir seit geraumer Zeit Kunden aus der Industrie an, für sie ihr Logistiknetzwerk als Dienstleister nicht nur zu optimieren, sondern auch zu managen. Hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte werden zukünftig vermehrt als sogenannte Portfolioworker ihr Know-how und ihre Arbeitskraft mehreren Firmen gleichzeitig zur Verfügung stellen müssen, damit die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.

Das Gespräch führte Julia Leendertse

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