KPMG wirbt verstärkt Erst- und Zweitsemester an

Wer Employer Branding mit zu höflich geführten Interviews in Leitmedien betreibt, kassiert im Zeitalter der Online-Kommentarleiste schnell Verbalattacken kritischer Leser. Das musste jetzt auch KPMG-Vorstand Wolfgang Zieren feststellen, der im Interview mit Zeit Online über seine Recruitingpolitik sprach.

Der KPMG-Personalvorstand Wolfgang Zieren klagte im Interview mit Zeit Online über den spürbar härter gewordenen Wettbewerb um Talente, der nur noch über den doppelten Abiturjahrgang abgefedert werde. KPMG bekomme im Jahr 40.000 Bewerbungen und stelle im selben Zeitraum zwischen 1.000 und 1.500 Mitarbeiter ein. Jeder dreißigste bis vierzigste Bewerber wird also eingestellt.


Weil nicht jeder Wirtschaftswissenschaftler auf das gesuchte Profil passe, gebe sein Haus auch Bewerbern anderer Fachrichtungen eine Chance, wenn „ein Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen, am lebenslangen Lernen und Teamfähigkeit“ vorhanden sei. Prinzipiell könnten auch Germanisten bei KPMG Karriere machen, da die Grenzen zwischen den Geschäftsbereichen Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Consulting durchlässiger geworden seien. Doch solche fachfremden Berufseinsteiger müssten schon gewisse Fachkenntnisse mitbringen, so Zieren, etwa die wesentlichen Gesetze kennen. KPMG würde sie durch besondere Programme auf ihre Tätigkeit vorbereiten.


Im Recruiting reiche es heute nicht mehr aus, sich nur auf Absolventen zu konzentrieren, sagte Zieren. KPMG spreche deshalb auf Hochschulmessen bereits gezielt Erst- und Zweitsemester an, unabhängig davon, ob sie ihren Bachelor oder Master machten. Auch das Alter und das Geschlecht der Bewerber spielten keine Rolle, beteuerte Zieren. Sein Haus habe sich zwar keine verpflichtende Frauenquote auferlegt, stelle aber etwa gleich viel Männer wie Frauen ein. Das Problem sei jedoch: Wir verlieren noch zu viele gute Frauen auf dem Weg nach oben“, weshalb auf der Führungsebene (= Manager, Direktoren und Partner) der Frauenanteil bei nur 30 Prozent liege. Auf Nachfrage von Zeit Online, woran es seiner Meinung denn liege, dass seinem Haus so viele Frauen abhanden kämen, antwortete Zieren mit wolkigen, für einen Personalvorstand dann doch etwas unbedarften Worten: „Ich nehme an, an der Lebensplanung. Viele Frauen steigen mit der Familiengründung zwar nicht mehr ganz aus dem Berufsleben aus, entscheiden sich dann häufig aber eher gegen eine Führungsposition. Vielleicht glauben viele, dass sie Familie und Führungsposten nicht vereinbaren können“. Wie KPMG dem Frauenschwund künftig konkret entgegenwirken will, darüber verlor Zieren kein Wort.


Für das in aller Höflichkeit, aber eben eine deutliche Spur zu höflich geführten Interview kassierten er und die Wochenzeitung „Die Zeit“ auch deshalb jede Menge hämische Kommentare. „So läuft's heute: man bietet sich an zu einem Interview oder Artikel, der zeitgeistkonform etwas mit "Gleichstellung" zu tun hat – und schon hat man ein Leitmedium als Plattform“, warf ein anonymer Leser der Redaktion vor. Ein anderer fragte: „Haben Sie einfach vergessen dieses Interview als Anzeige kenntlich zu machen?“ Eine weitere Stimme verwies darauf, dass gute Absolventen wohl kein Problem bei KPMG hätten, wenn nur das Einstiegsgehalt auf einem angemessenen Niveau läge. „Aber gute Absolventen wollen eben nicht zehn Prozent weniger Gehalt als im Dax-Konzern bei gleichzeitig 20-30 Prozent Stunden mehr pro Woche“.


Fazit: KPMG sollte vielleicht nicht nur seine Recruiting-, sondern auch seine Kommunikationsstrategie überarbeiten. Die Zigtausenden KPMG-Bewerber hätten einen offeneren Umgang mit der Tatsache verdient, dass das Geschäftsmodell zu einem Gutteil darauf basiert, nicht nur jedes Jahr 1.000 bis 1.500 Mitarbeiter neu einzustellen, sondern sich auch jedes Jahr von etwa genauso vielen Mitarbeitern zu trennen. Hohe Fluktuationsraten sind mit Maßnahmen zur Förderung einer gesicherteren Lebens- und Familienplanung schwer zu vereinbaren. Dennoch gibt es unterm Strich sicher genügend andere Argumente für einen Berufseinstieg bei einer der großen Prüfungs- und Beratungshäuser. Hilfreich wären auch Hinweise darüber, welche Wege Ex-Mitarbeitern nach ihrem Engagement bei KPMG offen stehen.

Quelle: Die Zeit, 6. Februar 2014

http://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-02/interview-kpmg-personalmanager-fachkraefte-wirtschaftspruefer