Lebenslauf: Alles Lüge, oder was?

Im Lebenslauf nehmen es viele Bewerber mit der Wahrheit nicht so genau. Doch wo liegen die Grenzen? Das Handelsblatt stellt die häufigsten Lügen im Lebenslauf vor und erklärt, wo der Spaß aufhört.

 

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Soll ich, oder soll ich nicht? Wer sich bewirbt, möchte den eigenen Lebenslauf gerne als ungetrübte Erfolgsstory präsentieren – doch was, wenn man eigentlich weniger vorzuweisen hat, als in der Stellenausschreibung verlangt wird? In der Praxis wird die Wahrheit oft erstaunlich großzügig ausgelegt: Das langweilige Praktikum mutiert zur "relevanten Berufs- und Branchenerfahrung", der Babysitter-Job zur "mehrjährigen Führungserfahrung" und dank der regelmäßigen Kneipenbesuche auf Mallorca ist das Wirtschaftsspanisch "verhandlungssicher". Fast 60 Prozent aller Befragten haben in ihrem Lebenslauf schon mindestens einmal gelogen, zeigt eine Umfrage der Lebenslauf-Website CVApp. Das Handelsblatt ist deshalb der Frage nachgegangen, wo die Grenzen des Erlaubten liegen und ab wann Bewerber sich strafbar machen.

Die Wahrheit ein wenig zu dehnen, um sich selbst positiv darzustellen, sei oftmals nicht problematisch, zitiert die Zeitung Rechtsanwalt Pascal Croset. Ein bisschen Übertreibung würden Arbeitgeber einkalkulieren. Doch bereits wer nebensächliche Fakten wie Hobbys oder Interessen erfinde, könne Probleme bekommen, zumindest dann, wenn diese Eigenschaften relevant für den Job und die Auswahl waren. Wer Unterlagen fälsche oder formelle Ausbildungen vortäusche, der müsse mit einer harten Reaktion rechnen, wenn der Schwindel auffliege – bis hin zu Schadenersatzforderungen.

Lüge 1: Fähigkeiten und Kompetenzen (79 Prozent)

Gerade bei den Fähigkeiten wird im Lebenslauf gerne übertrieben, zeigt die Umfrage. Im Lebenslauf steht dann gerne „Erfahrung im Führen von Teams“ – selbst wenn das Team nur aus zwei Personen bestand. Eine übertriebene Darstellung sei mitunter rechtlich unproblematisch, solange man keine Qualifikationen vortäuscht, die man nie hatte, sagt Fachanwalt Croset.

Das Risiko, dass die Lüge auffliegt, ist allerdings groß: Erfahrene Personaler klopfen schon im Vorstellungsgespräch ab, welche Aufgaben ein Bewerber in seinem vorherigen Job erfüllt hat. Wer bei der Bewerbung übertrieben hat, muss hier mit kritischen Nachfragen rechnen. Auch Fremdsprachenkenntnisse lassen sich leicht prüfen. Wer lügt, wird wahrscheinlich schon im Bewerbungsprozess auffliegen.

Der Personaler lässt den Bewerber eine Situation skizzieren und stellt dabei dessen Handlungen und Ergebnisse in Frage.

Gerade Führungskräfte müssten ihre Kompetenzen in Form von Erfolgen immer belegen können. Wer hier lüge, der riskiere, dass seine Bewerbung scheitert. „Anders als vor Gericht gilt hier die Maßgabe: im Zweifel gegen den Bewerber.“ Und selbst wer eine Lüge im Bewerbungsgespräch durchhält, muss seine Fähigkeiten während der Probezeit auch unter Beweis stellen. Wer beispielsweise bei seiner Erfahrung als Führungskraft übertrieben hat, wird womöglich Probleme kriegen. Dann droht eine schnelle Trennung.

Lüge 2: Gehalt (74 Prozent)

Wer den Job wechselt, der will oft mehr verdienen. Clever scheint es daher, beim bisherigen Gehalt ein wenig zu übertreiben. Eine Lüge, bei der man selten bis nie erwischt wird. „Fragen neue Arbeitgeber nach dem bisherigen Gehalt, haben sie keinen Anspruch auf eine wahrheitsgemäße Antwort“, sagt Fachanwalt Croset. „Erfahrene Headhunter und Personaler wissen, was in der Branche verdient wird“, warnt Headhunter Roth allerdings. Über Benchmarks und Gehaltsportale wie Glassdoor.de könne man darüber hinaus Vergleiche anstellen. Wer überdreht, komme für einen Job womöglich nicht mehr in Frage. Ein Umstand, der insbesondere Führungskräfte dazu bringe, bei ihrem vorherigen Gehalt eher zu unter- als zu übertreiben.

Lüge 3: Stellenbezeichnung (58 Prozent)

„Die Positionsbeschreibung ist objektiv nachprüfbar. Wird sie geändert, dann ist das nichts anderes als eine Lüge“, sagt Rechtsanwalt Pascal Croset. Doch fraglich sei, ob das für Konsequenzen reicht, wenn es später herauskommt.

Der Arbeitgeber hätte dann laut Fachanwalt Croset nämlich ein doppeltes Problem: Zum einen müsse er beweisen, dass er einen Arbeitnehmer nie eingestellt hätte, wenn er gewusst hätte, dass er einen falschen Jobtitel angegeben hat. Zum anderen stelle sich immer noch die Frage, ob das nach Jahren noch für eine Anfechtung reicht, wenn ein Bewerber längst andere Stellen bekleidet hat. Der mitunter etwas beliebige Umgang mit Jobbezeichnungen spiele den Betrügern in die Karten. Der Unterschied zwischen einem Sales Manager und einem Senior Sales Manager sei für Außenstehende kaum zu beurteilen. Bei Juristen hätten beispielsweise viele Anwälte den Titel Partner, seien aber offensichtlich keine Partner im gesellschaftsrechtlichen Sinne.

Das ist aber sehr branchenabhängig: Es gebe Felder, auf denen Titel fast nichts mehr aussagen. In anderen Branchen sind sie hochrelevant.

„Bei geschützten Titeln oder Dienstgraden ist die Sache klarer. Da ist das Messer scharf und selbst kleinere Abweichungen sind ein Anfechtungsgrund“, sagt Croset.

Personaler fragen spätestens im Bewerbungsgespräch nach dem Werdegang. Sie lassen sich erklären, was einen Senior Marketingmanager von einem Marketingmanager unterscheidet. Darüber hinaus liefern Karriereportale wie LinkedIn Hinweise, welche Jobtitel beim vorherigen Arbeitgeber üblich sind. „Wer hier übertreibt, muss sich daher auf kritische Nachfragen einstellen“, sagt Roth.

Lüge 5: Bildungsabschluss (52 Prozent)

Ein Geschäftsführer hat sich bei den Eigentümern eines Unternehmens unbeliebt gemacht. Die Personalabteilung prüft die Unterlagen und stellt fest: Den Doktortitel hat der in Ungnade gefallene Chef im Ausland erworben. Ein Anruf bei der Universität ergibt: Das ausstellende Institut gibt es gar nicht. Der Doktortitel ist eine Fälschung.

Ein solcher Fall klingt unrealistisch, Fachanwalt Croset hat ihn aber selbst erlebt. Und er weiß, wie hart die Konsequenzen waren. Statt über eine Abfindung zu verhandeln, musste sich der Geschäftsführer nun strafrechtlich verantworten. Denn wer Abschlusszeugnisse fälscht, muss mit drastischen Konsequenzen rechnen, warnt der Anwalt: „Wer einen Bildungsabschluss fälscht, begeht einen Betrug.“ Man verschaffe sich ein Arbeitsverhältnis, das man sonst nicht bekommen hätte.

Eine systematische Verifizierung von Zeugnissen gebe es im Bewerbungsprozess zwar nicht, sagt auch Headhunter Roth. In der Praxis werden gefälschte Zeugnisse aber durch kleine Widersprüche enttarnt: Ein falsches Datum oder ein falscher Name können auch nach Jahren noch dazu führen, dass Personaler nachhaken.

Lüge 6: Arbeitszeugnisse (49 Prozent)

Ein junger Bewerber gibt bei der Bewerbung Praktika bei namhaften Unternehmen an, legt aber keine Zeugnisse dazu. Kein Wunder: Viele Stellen sind nur ausgedacht. Eine solche Täuschung kann ernsthafte Konsequenzen haben: „Hier wird ein objektiv nachweisbarer Sachverhalt vorgetäuscht“, sagt Croset.

Das könne die Eignung für die eigentliche Tätigkeit infrage stellen. „Dafür ist kriminelle Energie erforderlich, der Graubereich des Verschönerns und der positiven Darstellung ist klar überschritten“, erklärt Croset.

Allerdings würden 90 Prozent aller Arbeitszeugnissen mittlerweile ohnehin von den Bewerbern selbst geschrieben – und nur noch vom Arbeitgeber unterschrieben, weiß Headhunter Roth. Deshalb gehe es mehr darum, eine Stelle wirklich offiziell nachzuweisen und weniger um die Bewertung. Die Noten im Arbeitszeugnis zu schönen, sei darum wenig sinnvoll, meint der Experte.

Schon heute bieten viele Agenturen völlig legal an, Beurteilungen zu schreiben, beispielsweise wenn Arbeitnehmer ihr Zeugnis selbst schreiben sollen. Wer allerdings alte Dokumente mit einem neuen Text versieht, überschreitet die Grenze der Legalität. „Manipulationen werden fast immer als relevant eingestuft“, sagt Fachanwalt Croset.

Es komme aber auch darauf an, was gefälscht wurde, wie relevant und offiziell das Dokument ist, das überarbeitet wurde. Je relevanter das Schriftstück für den Job sei, desto höher sei das Risiko, überführt zu werden. Das könne am Ende bis zu einer Auflösung des Arbeitsvertrags führen.

Quellen: Handelsblatt (paywall)