Aus Sicht eines Hochschulabsolventen spricht eigentlich eine Menge für einen Einstieg bei einem Familienunternehmen: Langfristigeres Denken des Managements, familienorientierte, persönlichere Unternehmenskultur und vielfach die Chance schnell in Verantwortung zu kommen. Doch in einem Punkt stehen Deutschlands Familienunternehmen in gar keinem guten Licht: Sie haben einen sehr niedrigen Frauenanteil in Führungspositionen und diesen auch in letzter Zeit kaum gesteigert.
Seit zwei Jahren hat sich fast nichts bewegt
Das Handelsblatt berichtet über eine Untersuchung der Allbright-Stiftung, nach der in den Geschäftsführungen der 100 umsatzstärksten Familienunternehmen hierzulande derzeit nur 8,3 Prozent Frauen vertreten sind. Somit hat sich seit vor zwei Jahren, als der Wert noch bei sieben Prozent lag, sehr wenig bewegt. Bei den 70 Firmen, die ausschließlich in Familienbesitz sind, liegt der Wert sogar nur bei 4,8 Prozent. Und in 68 der 100 untersuchten Unternehmen gibt es sogar überhaupt keine Frau in der Geschäftsführung, stellt die Allbright-Stiftung fest. Darunter seien viele große Namen wie Aldi, Bauhaus, Bertelsmann, Deichmann, Haribo, Kärcher, Kühne + Nagel, Miele, die Schwarz Gruppe , zu der Lidl und Kaufland gehören, sowie Tönnies, Vorwerk, Webasto und Würth.
Genauso viel Wechsel in den Geschäftsführungen wie im Dax
An mangelnden Gelegenheiten, frei werdende Positionen mit Frauen zu besetzen, kann es nicht gelegen haben. Denn die Fluktuation in den Familienunternehmen war mit etwa 30 Prozent ebenso hoch wie bei den DAX-Unternehmen. Im Dax, MDax und SDax – insgesamt 160 Unternehmen – liegt der Anteil der Frauen in den Top-Etagen derzeit bei 14,3 Prozent. Betrachtet man nur den Dax-40, so finden sich fast 20 Prozent Frauen im Vorstand.
EU erzwingt Frauenquoten
Im internationalen Vergleich ist allerdings auch das noch ein bescheidener Wert. Deshalb haben sich auch jetzt – nach jahrelanger Blockade, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet –, die EU-Länder und das Europäische Parlaments auf verbindliche Frauenquoten für die Leitungspositionen börsennotierter Unternehmen in der EU geeinigt. Dabei sollen die Mitgliedsstaaten bis 2026 wählen können: Entweder machen sie zur Pflicht, dass mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt werden oder sie legen fest, dass ein durchschnittlicher Frauenanteil von 33 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände erreicht werden muss. Wer sich dann nicht an die Regeln hält, muss Strafe zahlen.
Monokultur bringt Geschäftsrisiko
Die deutschen Familienunternehmen wird das juristisch nicht betreffen. Aber auch auf sie wird damit der Druck steigen, sich zu bewegen. Je mehr Macht die Eigentümer-Familie in einem Unternehmen habe, desto weniger divers sei der Vorstand, stellt die Studie fest. Für Familienunternehmen werde die Monokultur im Vorstand jedoch immer mehr zum geschäftlichen Risiko, weil Studien immer wieder zeigen, dass gemischte Führungsgremien mit einem größeren Geschäftserfolg korrelieren.
Familienunternehmen werden zur zweiten Wahl
Zudem werde so auch die Suche nach jungen Talenten erschwert: „Frauen gehen am liebsten dorthin, wo es schon Frauen gibt“, sagt Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der Allbright-Stiftung dem Handelsblatt. So würden „Familienunternehmen zur zweiten Wahl“ und es drohe ein Reputationsverlust: „Marken können es sich eigentlich nicht mehr leisten, nicht für Chancengleichheit zu sorgen.“
Quelle: Handelsblatt