Die Lücke zwischen dem gesetzlichen Auftrag der Abschlussprüfer und den Erwartungen der Anleger und Investoren könnte aber nur geschlossen werden, wenn der Fokus der Prüfer nicht mehr nur auf die Rechnungslegung und die Bücher gelegt würde, sagte Winkeljohann in einem Interview mit der Wirtschaftswoche.
Um die Aussagekraft des Testats zu erhöhen und die Bilanzleser besser über Chancen und Risiken zu informieren, müssten die Prüfer den standardisierten Bestätigungsvermerk durch qualitative Beurteilungen des Unternehmens ergänzen. Eine tiefere Kontrolle mit höherem Erkenntnisgewinn wäre ohne Gesetzesänderung jedoch derzeit nicht möglich, argumentierte Winkeljohann. Das derzeitige Testat der Wirtschaftsprüfer sei weder ein Gesundheitszeugnis für die Unternehmen noch eine Kaufempfehlung für die Aktionäre. Der Wirtschaftsprüfer sei kein besserer Manager und auch nicht dazu da, Geschäftsmodelle zu hinterfragen.
Sein Job sei es allein, für Aktionäre und Eigentümer zu prüfen, ob die Informationen des Managements über Gewinn, Vermögen und Schulden des zurückliegenden Geschäftsjahrs eines Unternehmen zutreffend seien. Nicht mehr und nicht weniger. Wolle der Gesetzgeber den Weg für tiefere Kontrollen ebnen, müsse er Wahlmöglichkeiten einräumen. Nach besonders schwierigen Geschäftsjahren oder Fusionen könne der Aufsichtsrats die Prüfer für einen detaillierteren Check anheuern. Das habe aber auch seinen Preis. Im Rahmen der aktuellen Honorare seien solche qualitativen Zusatzprüfungen nicht vorstellbar.
Über die Interessenkonflikte, die sich durch die Tatsache ergeben können, dass Prüfer Großmandante im Beratungsgeschäft nicht verlieren wollen und deshalb Milde bei der Prüfung des Jahresabschlusses walten lassen, machte Winkeljohann nicht viel Aufhebens. Zur Verhinderung von Interessenskonflikten gebe es in Deutschland ja den Prüfungsausschuss, betont der PwC-Chef. Der müsse schließlich jeden Beratungsauftrag genehmigen. Diese Regelung sei gut eingespielt und im Sinne der Wirtschaft.
(Juni 2012) Quelle: Wirtschaftswoche