Kaum eine Branche ist so mit Vorurteilen und Klischees gespickt wie die Beraterbranche. Doch die Kunden ficht das nicht an. Der Wunsch nach einem externen Expertenblick auf die eigene Organisation beschert den Consultants volle Auftragsbücher und Rekordumsätze.
Professor Dietmar Fink von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Experte für Unternehmensberatungen sowie Professor Stephan Friedrich von den Eichen, Geschäftsführer der Strategieberatung IMP Denkwerkstatt, lobten im SWR2-Radiointerview die Berater als wichtige Impuls- und Ideengeber, die Unternehmenslenkern wertvolle strategische Konzepte an die Hand geben können. Mehr noch: Viele Unternehmen griffen heute immer häufiger auf Berater zurück, wenn es darum gehe, Projekte zu bewältigen, für die sie selbst keine Spezialisten vorhalten könnten, weil die Aufgaben sich eben nur einmal stellten oder deren Erledigung generell durch externe Kräfte betriebswirtschaftlich günstiger sei.
Die Kölner Wirtschaftsjournalistin Julia Leendertse warnte hingegen vor einer zunehmenden Beraterisierung der deutschen Wirtschaft sowie der öffentlichen Hand. Zu häufig holten Topmanager Berater mit ins Boot, um bei Fehlentwicklungen darauf verweisen zu können, dass nicht sie allein bestimmte Entscheidungen getroffen hätten. Gutachten von Markenberatungen würden zunehmend als Schutzschild genutzt. Die Sprache und das Denken der Berater habe zudem in den vergangenen dreißig Jahren die Firmenkultur in der deutschen Wirtschaft zunehmend auf ein einseitiges, mitunter falsch verstandenes Effizienzdenken geprägt. In den Neunzigerjahren sei Roland Berger zu Recht darauf stolz gewesen, eine Managementberatung deutschen Stils zu betreiben, in der Lösungen im Rahmen der Sozialverträglichkeit gemeinsam mit der Belegschaft erarbeitet wurden. In dem Moment, in dem Finanzinvestoren in großem Stil mittelständische Unternehmen gekauft und von Beratern verschlanken ließen, habe jedoch die Managementberatung amerikanischen Stils Oberwasser bekommen.
Quelle:SWR2 Forum, 20. April 2017