Die Branche muss – so die Bilanz – mit gleich drei Problemen gleichzeitig fertig werden: dem Preisdruck, einer neuen Konkurrenz und anspruchsvolleren Kunden. Die Unternehmensberater verspürten derzeit am eigenen Leib, was sie lange Jahre ihren Klienten selbst empfohlen haben. „Die Beraterbranche hat selten so große Turbulenzen erlebt wie in den letzten zwei Jahren“, zitiert die Bilanz den Schweizer McKinsey-Chef Christian Casal. Ausgangspunkt für die massiven Umwälzungen sei die Digitalisierungswelle, die jetzt die Beraterbranche erfasse.
Gleichzeitig spürten die Berater einen Verdrängungswettbewerb, insbesondere durch die Wirtschaftsprüfer, die durch Übernahmen immer tiefer ins Beratergeschäft einsteigen. Etwa EY mit einem Jahresumsatz 2013 von 26 Milliarden Dollar: Wächst das Beratungsbusiness mit gleicher Geschwindigkeit weiter, so schreibt die Bilanz, wird dieser Zweig für den Wirtschaftsprüfer EY in drei Jahren die wichtigste Sparte sein. Konkurrenz komme aber auch von den Klienten der Berater selbst. Großunternehmen hätten schon lange Berater abgeworben und mit ihnen eigene Beratungsabteilungen aufgebaut. Dadurch seien die Auftragsvolumina drastisch geschrumpft. Während zum Beispiel der Konzern ABB einst für Aufträge in 50 Millionen Euro Höhe gut war, vergibt der Konzern für Energie- und Automatisierungstechnik mittlerweile nur noch Aufträge in niedriger Millionenhöhe.
Parallel sorgten kleine Nischenanbieter für Druck von unten. Sie fingen mit ihren kleinen Teams häufig da an, wo die Großen aufhörten, weil deren Standardmethoden nicht mehr funktionierten und Kunden eine viel größere Beratungstiefe erwarteten. Um dieses Manko auszugleichen, hätten sich vor allem die Strategieberatungen diversifiziert und versuchten nun ebenfalls, alles aus einer Hand anzubieten. Das größere Angebot führe zu sinkenden Honoraren, während die Häuser selbst ihre Personalkosten nicht drücken könnten. Eine Zwickmühle, aus der schwer zu entkommen sei. Sie müssen junge Berater ausbilden, für die aber kein Unternehmen mehr bereit sei, hohe Honorare zu zahlen. Im Gegenteil: Der Wettbewerb drücke die Preise in den Keller, gleichzeitig verlangten die Kunden immer tieferes Spezialisten-Know-how. Dafür müssten die Traditionshäuser erfahrene Berater oder Quereinsteiger einsetzen, die ihr Geld kosten, was die Margen weiter sinken lässt.
Fazit der Bilanz: All dies führe zu einer Konsolidierung, die zwei oder drei Player die Existenz kosten wird, ehe sich der Markt wieder stabilisiert. „Dann könnte die Consulting-Industrie aussehen wie andere Dienstleistungsbranchen, etwa Headhunter oder Wirtschaftsprüfer: wenige globale Riesen und sehr viele Nischenplayer.
Quelle: Bilanz, 05/2014, Printausgabe, Seite 32