Versteckte Industrialisierung

In Deutschland gibt es immer mehr Steuerberater. Mit knapp 90.000 Mitgliedern (darunter 81.244 Steuerberater und 8.655 Steuerberatungsgesellschaften) zählt die Steuerberaterkammer 2012 rund ein Drittel mehr Mitglieder als noch zur Jahrtausendwende. Im Jahr 2020 dürfte es in Deutschland sogar nach einer Prognose des Deutschen Steuerberaterverbandes 100.000 Berufsträger geben. Fazit: Der Kampf um die Mandanten wird weiterzunehmen, schreibt die FAZ.

Der typische Steuerberater ist heute nach wie vor als Einzelkämpfer oder in einer Kleinstpraxis tätig. Der zunehmende Wettbewerb dürfte jedoch peu á peu zu Zusammenschlüssen führen, denn Deutschland ist eher über- als unterversorgt mit Steuerberatern: Auf einen Freiberufler kommen hierzulande 922 Einwohner. In Frankreich und Großbritannien sind es jeweils mehr als 2.000 Einwohner pro Berufsträger. Im Schnitt hat laut FAZ derzeit noch jeder Steuerberater 337 Mandanten, knapp die Hälfte davon sind Gewerbetreibende und weitere 15 Prozent Freiberufler. Arbeitnehmer sind folglich nicht die Kernklientel.

"Der Kampf um Mandanten wird zunehmen", sagte Axel Pestke vom Deutschen Steuerberaterverband gegenüber der FAZ. Es gebe einen eindeutigen Wandel vom Anbieter- zum Nachfragemarkt. Mehr noch: Es zeichne sich sogar ein "versteckter Trend zur Industrialsierung" ab. Mit der elektronische Steuerbilanz (E-Bilanz), der elektronischen Steuerklärung und der Anerkennung elektronischer Rechnungen treibe vor allem der Fiskus eine vor allem für Freiberufler gefährliche Digitalisierung voran. Pestke: "Es gilt zu verhindern, dass sich die Finanzverwaltung durch Bereitstellung direkter Kommunikationswege für den Steuerpflichtigen sozusagen zwischen ihn und seinen Berater schiebt".

Noch ein weiterer Trend macht Einzelkämpfern in der Steuerberaterbranche das Leben schwer: Die Zeiten, in denen sich Steuerberater auf klassische Leistungen wie Buchführung, Lohnabrechnung und Jahresabschlussarbeiten für ihre Mandanten konzentrieren können, neigten sich dem Ende zu, schreibt die FAZ. Kunden verlangten verstärkt individuelles Controlling, Finanzplanung, Rechtsdurchsetzungsberatung und Unternehmensbewertungen. Damit aber gerieten Steuerberater nicht nur verstärkt in Konkurrenz mit anderen beratenden Berufsgruppen - auch ihre wachsende Zahl verschärfe den Wettbewerb untereinander.

Mehr als jeder zweite Mandant, so belegt eine Umfrage des Forschungsinstituts Ires, verlange nach einer individualisierten Leistung, während die Angebotsseite nach wie vor stark auf klassische Leistungen setzte. Angebot und Nachfrage haben sich in gegensätzliche Richtungen entwickelt und die Erwartungen in den Mandantenbeziehungen driften auseinander, warnt das Ires-Institut.

Doch durch die steigende Nachfrage nach Beratungsleistungen, zu denen häufig auch Fragen zur Organisation, Software oder Unternehmensführung gehören, eröffnen sich für Steuerberater auch neue Möglichkeiten. Etwa in dem sie als Syndikus für einen Verband oder ein Unternehmen arbeiten, was erst seit drei Jahren möglich ist. Auch eine geplante neue Rechtsform, die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (mbB), mit der sich die Haftung für Pannen in der Beratung begrenzen lässt, bietet Spielraum für neue Partnerschaften und Geschäftsmodelle.

(16.März 2012) Quelle: FAZ

Steuerberater