Beide Fälle (EuGH C-619/16 und C-684/16) sind dem Europäischen Gerichtshof von deutschen Richtern zur Begutachtung vorgelegt worden, weil sich hiesiges Recht möglicherweise mit EU-Recht beißt. Der Gutachter hat nun entsprechende Einschätzungen gegeben, die die Arbeitnehmerrechte stärken. Die deutschen Gerichte, die in den nächsten Monaten entscheiden werden, müssen der EU-Meinung zwar nicht folgen, tun das aber meistens.
> Im ersten Fall hatte ein Rechtsreferendar in den letzten fünf Monaten seines Referendariats darauf verzichtet, Urlaub zu nehmen und wollte sich die ausstehenden Urlaubstage zum Ende seines Arbeitsverhältnisses auszahlen lassen. Sein Arbeitgeber aber wollte nicht. Denn: Nach deutschem Arbeitsrecht erlischt ein Urlaubsanspruch grundsätzlich am Ende eines Arbeitsjahres, wenn nicht vorher ein Urlaubsantrag gestellt wurde. Und ist der Anspruch erloschen, dann geht damit auch der Anspruch auf Ausgleichszahlungen für nicht genommenen Urlaub unter.
Der EU-Gutachter stellte nun aber fest, dass ein Urlaubsanspruch – und damit auch der auf Ausgleichszahlungen – nicht verfallen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage war, den Urlaub zu nehmen. Kann der Mitarbeiter also nachweisen, dass er wegen zu viel Arbeit oder fehlender Vertretung etc. partout nicht frei machen konnte, dürfte der Urlaubsanspruch bestehen bleiben. Umgekehrt müsste das Unternehmen nachweisen, dass es dem Mitarbeiter Urlaub ermöglicht habe, dieser ihn aber trotzdem nicht genommen hat. Im aktuellen Fall dürfte der Mitarbeiter dann also wohl leer ausgehen.
> Im zweiten Streitfall ging es um einen Mitarbeiter, der recht kurzfristig von seinem Arbeitgeber erfuhr, dass sein befristeter Vertrag nicht verlängert wird und dass er aber vorher seinen ausstehenden Urlaub noch nehmen soll. Weil es dem Mitarbeiter so kurzfristig nicht möglich war, über 50 Urlaubstage binnen acht Wochen zu verbraten, wollte er Ausgleichszahlungen dafür. Geht es nach dem EUGH-Gutachter, müsste der Arbeitnehmer – anders als im ersten Fall – das Geld tatsächlich bekommen, da der Mann unverschuldet nicht in der Lage, den kompletten Urlaub zu nehmen.
Unterm Strich bedeutet die – allerdings nicht bindende – Einschätzung des Gutachters, dass Mitarbeiter, die am Urlaub „gehindert“ werden, ihren Urlaubs- und Abgeltungsanspruch behalten, auch wenn sie keinen Urlaubsantrag gestellt haben. Gleichzeitig dürfen Mitarbeiter aber nicht bewusst Urlaubstage ansammeln, um sie sich am Ende des Jobs auszahlen zu lassen.
Quelle: Arbeitsrechtsberater