Der Handelsblatt-Kommentar von Juve-Chefredakteur Aled Wyn Griffiths ist so etwas wie eine Warnung vor Geschichtsklitterung und vor den Gefahren eines zu einseitigen Profitdenkens zugleich: Schon immer habe es sogenannte multidisziplinäre Partnerschaften (MDP) in Deutschland gegeben, hätten Prüfer mit Steuer- und Rechtsberatungen kooperiert, schreibt Griffiths im Handelsblatt. Nur die Rahmenbedingungen hätten sich in der jeweiligen Zeit verändert.
Griffiths, einer der profundesten Beobachter der deutschen Anwaltsszene hierzulande, verweist darauf, dass die großen Anwaltskanzleien vor der Enron-Pleite und den daraus folgenden gesetzlichen Vorgaben (Sarbanes-Oxley) wegen fehlender Strukturen eher hilflos den Kriegskassen und dem strategischen Denken der großen Wirtschaftsprüfergesellschaften ausgeliefert gewesen seien. Der Enron-Schock habe den damals noch dienstleistungsorientierten Kanzleien aber die notwendige Luft verschafft, um effiziente Organisationsstrukturen nachzuziehen.
Nachdem die Wirtschaftsprüfer ihre Rechtsberatungszweige nun wieder kontinuierlich ausbauten, gingen diesmal nahezu gleichberechtigte Partner gemeinsam auf den Mittelstand los.
PwC, Ernst & Young und KPMG nahmen ihre ursprünglichen Wachstumspläne 2007 wieder auf, Deloittes Partnerkanzlei Raupach & Wollert-Elmendorff wächst schon seit dem Jahr 2000 kontinuierlich. Kleinere Gesellschaften zögen – so Griffiths – bei der Schaffung von MDP jetzt nach (etwa BDO mit BDO Legal) und riefen wie etwa BDO-Chef Holger Otte einen Paradigmenwechsel aus. Gerade mittelständische Unternehmen seien zunehmend an „wirtschaftlicher Beratung aus einer Hand“ interessiert. Dieser angebliche Paradigmenwechsel, sagt Griffith, sei in Wirklichkeit aber gar keiner, weil die Branche allenfalls zum alten Status Quo zurückgekehrt sei. Von einem Paradigmenwechsel lasse sich nur sprechen, wenn der „Größenwahn der späten 1990er-Jahre inzwischen austherapiert“ sei.
(10.2012) Quelle: Handelsblatt (Print)