Wirtschaftskanzleien müssen personell aufrüsten

Zu den Corona-Gewinnern in Deutschland zählen die Wirtschaftskanzleien, die trotz Entlassungen zulegten. Um die kleineren Teams nicht zu sehr zu strapazieren, müssen sie jetzt einstellen, schreibt die FAZ. Allein die fünf größten Kanzleien haben fast 400 Jobs ausgeschrieben.

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Das Corona-Jahr war für die Wirtschaftskanzleien entgegen aller Prognosen ein Umsatztreiber – sie waren voll ausgelastet. Vor allem die großen Kanzleien wuchsen stärker als der Markt. Das wirkt sich auf das Angebot an Jobs aus. Allein die fünf größten Kanzleien – Freshfield Bruckhaus Deringer, CMS Hasche Siegle, Hengeler Mueller, Hogan Lovells und Noerr suchen derzeit zusammen fast 400 neue Mitarbeiter – darunter Anwälte und Berater der unterschiedlichsten Fachrichtungen – vom Steuerrecht über M&A, Bank- und Finanzrecht bis zum Thema Real Estate.

Investitionen in IT haben sich ausgezahlt
Für die gut laufenden Geschäfte sind drei Faktoren verantwortlich. So profitierten die großen Kanzleien von ihren Investitionen in die IT und neue softwaregestützte Beratungsangebote, auch Legal Tech genannt, gleich in mehrfacher Hinsicht. Durch sie konnten die Anwälte auch in Zeiten der schärfsten Lockdown-Bedingungen übers Home Office reibungslos weiterarbeiten und miteinander kommunizieren. Außerdem sanken die Kosten, weil durch die Kontaktbeschränkungen die Reisebugdets auf nahezu Null zurückgefahren wurden. Gleichzeitig hatten die Mandanten weiterhin hohen Beratungsbedarf, der einfach online abgewickelt wurde.

Stellenabbau aus Sorge vor Umsatzeinbrüchen
Aus dem mobilen Arbeiten ließ sich für den einzelnen Anwalt jedoch keine Jobgarantie ableiten. Bis weit in den Sommer 2020 rechneten viele Kanzleien mit coronabedingten Umsatzeinbrüchen, was dazu führte, dass laut einer Analyse des auf den Anwaltsmarkt spezialisierten Verlags Juve vier der umsatzstärksten Einheiten ihren Personalbestand 2020 reduzierten.

Produktivität ist gestiegen, aber Zufriedenheit in Gefahr
Am Ende jedoch sorgte im Corona-Jahr 2020 die verstärkte Nachfrage, etwa in den Bereichen Arbeitsrecht, Digitalisierung, Finanzierung und Restrukturierung, dann doch für eine unerwartet gute Auslastung. Manche Kanzlei erzielte so durch die höhere Auslastung ihrer personell verkleinerten Teams unterm Strich beachtliche Produktivitätssteigerungen. Auf Dauer könnte das aber für allzu großem Frust vor allem unter jüngeren Anwälten sorgen, warnt die FAZ und zieht das Fazit: Damit der Erfolgsstory im Kanzleimarkt njcht die Luft ausgeht, sind Personaleinstellungen vonnöten – und sei es nur der gezielte Einsatz von Projektanwälten.

 

Quelle: FAZ, 2. Oktober 2021, Seiten 22 und 23, Printausgabe