Mit dem Examen in der Tasche können sich frisch gebackene Wirtschaftsprüfer zweier Dinge sicher sein: Sie bekommen auf jeden Fall einen Job – und sie können sich sogar obendrein noch aussuchen, wo sie ihren Job antreten möchten. Denn die Branche der Wirtschaftsprüfer ist mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren hoffnungslos überaltert und der Nachwuchs mehr als nur begehrt: Vom kleinen Haus über den mittelständischen Prüfer bis zu den Konzernen der Big Four buhlen alle um die Gunst der rar gesäten Nachwuchsprüfer. Schließlich gibt es davon nicht so viele – seit zehn Jahren sinkt die Zahl der Nachwuchs-Prüfer drastisch. Hinzu kommt: Durch die aufwendigen Berufsexamina fällt rund jeder Zweite im ersten Anlauf durch.
Die Examinierten kommen nach der Prüfung kaum um die Big Four, also PwC, EY, KPMG und Deloitte – herum. Mit ihren guten Gehältern und Karriereaussichten locken sie Talente zu sich. Dabei ist vor allem das Geld ein gutes Argument: Die Ausbildung ist nicht nur arbeitsintensiv, sondern auch noch teuer. Die gezahlten Gehälter stehen bei den kleineren und mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften „in keinem adäquaten Verhältnis“ zu den Ausbildungskosten, so der Vorstand der Personalberatung Valuta, Ingo Landesknecht, in der Wirtschaftswoche.
Mittelständler halten zwar mit schnellen Karriereschritten bis hin zur Partnerschaft dagegen, doch bei den Kleinen WP-Firmen hat das Partnerschaftsmodell an Attraktivität eingebüßt. Auch der Weg als Wirtschaftsprüfer in die Industrie lohnt sich: Hier gibt es 20 bis 40 Prozent mehr Gehalt.
Langfristig verändert das den Markt, denn vor allem für die kleinen Häuser wird die Personalfrage zur Existenzfrage. BDO, die fünftgrößte Wirtschaftsprüfung, stellte 2017 gerade mal 15 neue Arbeitnehmer ein. Die Nummer vier, das Big Four-Mitglied Deloitte, kam im selben Jahr allein schon auf 800 Neueinstellungen.
Das sollten auch Bewerber ins Kalkül ziehen: Der Generationswechsel zwingt den Markt zur Konsolidierung, der Kampf um den Kauf von kleineren Wettbewerbern ist entbrannt. Marktforscher Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk, mutmaßt denn auch, dass von den aktuellen Top 25 der Wirtschaftsprüferbranche vielleicht nur noch neun übrigbleiben, wenn sich dieser Trend fortsetzt.
Quellen: Wirtschaftswoche, 2. November 2018, Print Seite 45 ff.