Halb so groß, halb so schwer und halb so teuer wie ein iPad, das ist der neue Kindle Fire, den der Internet-Anbieter Amazon jetzt unters Volks bringt. Dass jedes verkaufte Gerät dem Konzern angeblich 50 US-Dollar Verlust beschert, stört Amazon-Chef Jeff Bezos wenig. Hauptsache, die Geräte werden an den Mann gebracht. Denn dahinter steckt die Vision, einen völlig neuen Vertriebskanal zu entwickeln, der langfristig das Käuferverhalten im Internet verändern soll.
Dreh- und Angelpunkt ist das Kindle Fire im Verbund mit dem amazoneigenen Online-Produktkatalog, der über die kostengünstigen Endgeräte im breiten Stil exklusiv verfügbar gemacht wird. Man kann damit durch die Seiten von Amazon bummeln und mal eben schnell das kaufen, was einem gefällt. "Impulskauf" heißt das in der Branche und ist genau das, was bislang im Internet nicht stattfindet. Dort suchen die Menschen bislang nur gezielt nach dem besten Preis für ein gewünschtes Produkt, das Pendant zum Impulskauf beim realen Shoppen oder eben Bummeln findet nicht statt. Mit dem Kindle Fire will Amazon den Menschen das passende Endgerät jetzt bereitstellen, um für das emotionale Momentum zu sorgen, das für Spontaneinkäufe so entscheidend ist: Der Nutzer wird mit Filmen, Songs oder Buchausschnitten gefüttert, soll Spaß haben und bei Gefallen gleich kaufen. Statt ausgeklügelter, aber wenig erfolgreicher Werbestrategien im Internet bietet Kindle Fire erstmalig Zugang zu einem Katalog, in dem Kunden mit Vergnügen blättern und sich das ansehen und kaufen sollen, was ihnen gefällt. Sie absolvieren schlicht und einfach einen Einkaufsbummel - nur eben digital.
Amazon als Impuls- und Taktgeber für die Onlinebranche dürfte bei seinem Versuch, ein neues Shoppinggefühl zu entfachen, von seiner Marktmacht und seinem umfangreichen Produktkatalog profitieren.
(2.10.2011) Quelle: FAZ am Sonntag