Den Wandel der Industrie durch die Digitalisierung spüren die großen Prüfungsfirmen PwC, KPMG, EY und Deloitte am eigenen Leib: Sie legen vor allem im Beratungsgeschäft zu. Dieser Trend hat sich 2016 verschärft, schreibt das Handelsblatt.
Weil zum Beispiel bei EY Sonderaufträge ausliefen, schrumpfte der Prüfungsumsatz der deutschen EY-Gruppe im Geschäftsjahr 2015/2016 um acht Prozent, während die Beratungssparte um fast 13 Prozent auf 279 Millionen Euro wuchs. Auch KPMG verzeichnet nur noch ein leichtes Umsatzplus von zwei Prozent im Prüfgeschäft, aber legte gut zwölf Prozent im Beratungszweig auf mittlerweile 568 Millionen Euro Umsatz zu. Deloitte – die Nummer vier im Prüfermarkt _ konnte in seiner Consultingsparte sogar um 37 Prozent zulegen. Spitzenreiter ist PwC mit 42 Prozent, der auch der Integration der Unternehmensberatung Strategy&, vormals Booz & Company, zu verdanken ist, die PwC 2014 übernahm. Auch ohne diesen Sondereffekt lag das Beratungsplus noch bei zwölf Prozent. Mittlerweile setzt der Branchenprimus 662 Millionen Euro mit Consultingdienstleistungen um.
Damit bewegen sich die Big Four – zumindest, was den Umsatz angeht – schon fast auf Augenhöhe mit den großen Beratungen. McKinsey setzt in Deutschland geschätzte 800 Millionen Euro um, Boston Consulting Group rund 620 Millionen Euro.
Wie wichtig das Beratungsgeschäft für die Big Four geworden ist, zeigen auch dessen Anteile am Gesamtumsatz: So legte die Beratungssparte bei den vier Großen von 25 Prozent im Jahr 2014 auf nunmehr 30 Prozent zu – bei minimal wachsenden Prüfungszuwächsen. Dort ist das Fell weitgehend verteilt, die vorgeschriebene Prüferrotation, bei der die börsennotierten Konzerne alle paar Jahre wechseln sollen, führt nur zu einer Umverteilung bestehender Marktanteile.
Genau deshalb wenden sich die Prüfungsfirmen verstärkt der Beratungssparte zu und sind laut Handelsblatt dabei, sogar in die Königsdisziplin Strategieberatung vorzudringen. Vor allem aber wollen alle vier Häuser als Komplettanbieter bei den Kunden punkten – vom Strategieentwurf bis zum konkreten Umsetzen inklusive Prozess- und Steuerberatung. Die Formulierungen der Häuser sind unterschiedlich, das Ziel ist identisch: Sie wollen Beratungsservices entlang der kompletten Wertschöpfungskette liefern.
Ob das One-Stop-Shopping funktioniert, bezweifeln zwar die amerikanischen Managementberatungen, doch die Prüfer sollten mit ihrem neuen Geschäftsmodell nicht unterschätzt werden, warnt Professor Dietmar Fink von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Die Ambitionen der Wirtschaftsprüfer sind hoch“, zitiert das Handelsblatt den Beratungsexperten. Während die Big Four das Geschäft von unten nach oben aufrollen wollen, also danach streben, sich vom Umsetzer zum Strategen zu entwickeln, bauen die großen amerikanischen Strategieberatungen seit Jahren schon ihre Operations-Bereiche aus, versuchen also ihrerseits, den Kunden alles aus einer Hand anzubieten – von der Entwicklung schlauer Konzepte bis hin zu deren Umsetzung.
Quelle: Handelsblatt, 22. Dezember 2016 Printausgabe