Stell Dir folgende Situation vor: Ein Mitglied Deines Teams kommt vor einem wichtigen Meeting zu Dir als Projektleiter und sagt „Ich mache mir Sorgen wegen meiner Präsentation am Montag“. Kein Problem, oder? Du signalisierst Verständnis und beruhigst den nervösen Kollegen oder die Kollegin freundlich: „Oh, das machst Du bestimmt ganz super. Ich kenne das ist und habe selbst Jahre gebraucht, bevor ich präsentieren konnte, ohne nervös zu sein.“
Ohne richtiges Zuhören keine Chance zur Interaktion
Eine gut gemeinte Antwort, die vielleicht sogar funktioniert. Doch möglicherweise geht sie auch am Kern des Problems vorbei und trifft nicht die wahren Bedürfnisse der anderen Person, warnen Rebecca Minehart, Benjamin Symon und Laura Rock im Harvard Business Manager. Vielleicht wünscht sich der Mitarbeitende im Beispiel eher konstruktives Feedback zu der wichtigen Präsentation als die vorzeitige Bestätigung, dass schon alles gut gehen werde. Um das herauszufinden, hilft nur eines: Richtig zuhören. Wer das nicht beherrsche, verpasse wichtige Chancen zur Interaktion, sagen die drei US-Mediziner.
Eine Frage des Stils
Ein effektiverer Zuhörer zu werden, sei gar nicht so schwer, schreiben die Kommunikationsexperten im Harvard Business Manager. Das Manager Magazin hat den Artikel auf Deutsch veröffentlicht. Die Autoren raten darin, sich zunächst über die verschiedenen Zuhörstile klar zu werden, um bewusst zwischen verschiedenen Zuhörtechniken zu variieren. Aus ihrer Arbeit im Klinikalltag und in der Weiterbildung leiten sie vier verschiedene Stile ab:
• analytisch: Der Zuhörer versucht ein Problem von einem neutralen Startpunkt zu analysieren.
• relational: Dieser Typ möchte eine Verbindung herstellen und die Emotionen hinter einer Nachricht verstehen.
• kritisch: Der Zuhörer versucht den Inhalt der Unterhaltung und die Zuverlässigkeit des Sprechers zu beurteilen.
• aufgabenorientiert: Der Zuhörer nimmt Einfluss auf das Gespräch, um einen effizienten Austausch von wichtigen Informationen zu bewirken.
Das Ziel bestimmt den Stil
Laut Minehart, Symon und Rock hat jeder Mensch einen persönlichen Zuhörstil, auf den er unbewusst zurückgreift – nicht immer mit optimalen Ergebnissen. Der persönliche Standardstil könne uns daran hindern, verschiedene andere Stile auszuprobieren, warnen die Autoren. Dabei lohne es, den Stil dem jeweiligen Umfeld und Ziel des Gesprächs anzupassen.
Zum Beispiel eigne sich der aufgabenorientierte oder kritische Zuhörstil sehr gut, um unter Zeitdruck schnelle Entscheidungen zu treffen. In emotionaleren Gesprächssituationen sei dieser Stil dagegen oft kontraproduktiv: „Wenn Emotionen auf aufgabenorientierte und kritische Zuhörstile treffen, verpassen wir womöglich wertvolle Gelegenheiten, die grundlegenden Werte und Bedenken zu verstehen oder sogar an verwertbare Informationen zu kommen“, schreiben die Kommunikationsprofis. Hier wäre also ein relationaler Stil angebracht.
Aber auch relationale Zuhörtechniken funktionieren nicht immer und überall. Viele Menschen halten beispielsweise das Einwerfen persönlicher Erfahrungen und Sichtweisen für empathisch und beziehungsfördernd. Doch wer nicht aufpasst, lenkt dadurch die Aufmerksamkeit weg von seinem Gesprächspartner. Aus dem Klinikalltag wisse man: Wenn Ärzte eine persönliche Bemerkung einwerfen, um Empathie zu zeigen und eine emotionale Verbindung herzustellen, gelänge es ihnen danach oft nicht, das Anliegen des Patienten zurück in den Gesprächsmittelpunkt zu stellen, sagen die Autoren.
Nicht immer gleich abwiegeln
Das Eingangsbeispiel mit dem nervösen Teammitglied kommentieren die Kommunikationsprofis so: Vorschnelle Zusicherungen wie „Du schaffst das schon“ könnten dem Gesprächspartner das Gefühl geben, nicht gehört zu werden. Den verbreiteten Impuls, sofort zu beschwichtigen, zu beruhigen oder Lösungen anzubieten, könne ein guter Zuhörer kontrollieren, indem er seinen Stil variiert. Beispielsweise könne man als Kollege oder Vorgesetzter mehr Details erfragen, um besser zu verstehen, was sich hinter einer belastenden Aussage verbirgt – eine Technik des analytischen Zuhörens, also: „Ja, ich war auch nervös, als ich die ersten Male präsentiert habe. Worüber genau machst Du Dir denn Sorgen?“ Durch solche bewussten Experimente mit der Art und Weise des Zuhörens, lernen wir, andere besser zu verstehen und kommen zu besseren Ergebnissen.
Quelle: Manager Magazin
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