Herr Dr. Naujoks, zwei Ihrer amerikanischen Bain-Kollegen haben jüngst in einer Umfrage herausgefunden, dass Frauen ihr Selbstvertrauen, es ins Topmanagement zu schaffen, in den ersten fünf Berufsjahren, verlieren. Nicht die Familiengründung bremse Frauen aus, sondern die mangelnde Unterstützung ihrer direkten Vorgesetzten, lautet das Fazit. Lässt sich die US-Studie auf andere Länder übertragen?
Naujoks: Die Ergebnisse der Umfrage kann man sicher nicht pauschal über einen Kamm scheren, sie sind aber durchaus auf andere westliche Industrieländer übertragbar. Das gilt auch für Deutschland. Die Studie hat gezeigt, wie weichenstellend die ersten fünf Berufsjahre sind. Genau in dieser Zeit wird der Aufstiegswille von Frauen oft gebrochen. Meine US-Kollegen fanden bei ihrer Umfrage unter 1.000 Männern und Frauen heraus, dass 43 Prozent der Berufseinsteigerinnen den Aufstieg ins Topmanagement planten, fünf Jahre später haben nur noch 16 Prozent von ihnen denselben Ehrgeiz. Bei den Männern ist das völlig anders. 34 Prozent von ihnen starten mit dem Selbstvertrauen eines zukünftigen Topmanagers in den Job. Und genauso viele von ihnen sind auch noch nach mehreren Berufsjahren davon überzeugt, den Aufstieg tatsächlich zu schaffen.
Was läuft da bei den Frauen schief?
Naujoks: Die gängige Meinung war bisher, dass Eheschließung und Familiengründung die entscheidenden Karrierekiller sind. Die Bain-Studie hat das eindeutig widerlegt. Weder Ehe noch Elternschaft haben Einfluss darauf, ob eine Frau grundsätzlich ehrgeizig ist und im Beruf vorankommen will. Das eigentliche Problem ist, dass ihr Selbstvertrauen untergraben wird. Von ihren direkten Vorgesetzten erhalten Frauen zu wenig Anerkennung und Unterstützung. Sie bekommen das Gefühl vermittelt, nicht dem stereotypen Bild des idealen Angestellten zu entsprechen.
Wie sieht das Idealbild eines Managers denn aus?
Naujoks: In der Unternehmenswelt wird so getan, als ob nur stets verfügbare Siegertypen auf der Überholspur Leitungsfunktionen übernehmen könnten. Was auch den Aufstieg für Frauen schwierig macht, ist die Tatsache, dass es immer noch zu wenig weibliche Rollenvorbilder im Topmanagement gibt, an denen Frauen sich orientieren können.
Wo kann denn angesetzt werden, damit es mehr Frauen in die Führungsspitzen schaffen?
Naujoks: Die Führungsspitzen selbst müssen deutliche Zeichen setzen, das heißt, mehr Frauen in ihre Reihen aufnehmen. Der Glaube bei den Frauen, dass sie es tatsächlich bis ganz nach oben auf der Karriereleiter schaffen können, ist erschreckend gering. Nur 30 Prozent der Frauen im mittleren Management und 24 Prozent ihrer Kolleginnen auf den oberen Führungsebenen, die es ja bereits auf die Geschäftsführerebene geschafft haben, glauben, dass sie gleichberechtigte Chancen haben, im selben Zeitraum wie Männer die Karriereleiter weiter hochzuklettern. Um das stereotype Idealbild des allzeit leistungsbereiten Always-on-Managers zu relativieren, braucht es mehr Manager, die bereit sind, offen darüber zu sprechen, was auf ihrem Weg nach oben für sie persönlich wirklich wichtige Erfolgsfaktoren waren.
Und wie können Unternehmen es schaffen, dass ihre Linienmanager – also die direkten Vorgesetzten – den Frauen mehr Anerkennung und Unterstützung geben?
Naujoks: Eine Hürde ist, dass die meisten Vorgesetzten von Frauen nach wie vor Männer sind. Viele Männer haben jedoch keine Vorstellung davon, wie ihre Art der Kommunikation auf Frauen wirkt und können sich schlecht in sie hineinversetzen. Das Bewusstsein dafür, wie Frauen denken, was für sie hilfreich sein könnte, lässt sich am besten durch Gesprächsforen schärfen. Wir organisieren bei Bain bereits seit einigen Jahren solche Gesprächsrunden, in denen Frauen auf den unterschiedlichsten Ebenen ihre Sicht der Dinge erläutern. Für mich waren diese Gespräche sehr erhellend. Unsere Bain-Studie hat zudem ergeben, dass sich viele Vorgesetzte einfach zu wenig Zeit nehmen, ihre Mitarbeiter besser kennen zu lernen und zu verstehen. Und viele männliche Chefs betrachten Einzelgespräche mit weiblichen Mitarbeiterinnen mehr als lästige Pflicht denn als echte Chance
Ist das nicht auch ein wenig zu viel verlangt? Viele Linienmanager haben überhaupt nicht die Ressourcen, um sich auf die Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter so sehr einzulassen?
Naujoks: Bei Männern untereinander funktioniert das doch auch, zumindest funktioniert es besser. Es ist von keinem Vorgesetzten zu viel verlangt, wenn er Frauen gleichberechtigt berücksichtigen muss, sobald es darum geht, spannende Projekte zu vergeben. Es spricht auch überhaupt nichts dagegen, Mitarbeitern – egal ob männlich oder weiblich – ausgewogener und gezielter die Chance zur Präsentation von Ideen einzuräumen. Und es ist auch nicht zu viel verlangt, dass ein Chef sich öfter die Zeit nimmt, mit Mitarbeitern auf neutralem Boden – zum Beispiel in der Cafeteria – Kaffee zu trinken, um ihn oder sie besser kennen zu lernen. Führungskräfte kennen im Unternehmen viel mehr Leute als ihre Mitarbeiter. Damit weibliche Nachwuchskräfte mehr Rollenvorbilder kennenlernen, können Vorgesetzte sie auf interessante Personen im Unternehmen aufmerksam machen und den Kontakt vermitteln.
Bei Studien zum Thema Frauen und Karriere schneiden die USA regelmäßig besser ab als andere Länder. Ist davon auszugehen, dass es hierzulande noch mehr Nachholbedarf gibt?
Naujoks: Von Land zu Land wird die Aufstellung ein wenig anders gelagert sein. In Skandinavien ist man beim Thema Frauenförderung erheblich weiter als hierzulande. In Frankreich ist das Bild der berufstätigen Frau schon länger präsent als in Deutschland. Die deutsche Wirtschaft wiederum ist stärker vom Mittelstand geprägt. Was dafür spricht, dass die Entscheidungswege schneller funktionieren, die zu treffenden Personalmaßnahmen aber möglicherweise etwas anders aussehen.
Wie ist es denn um das Thema Frauen und Frauenförderung bei Bain bestellt?
Naujoks: Wir bei Bain in Deutschland verfolgen das Thema Frauenförderung seit fünf, sechs Jahren gezielt und haben seitdem sehr viele wirksame Maßnahmen ergriffen. Teilzeitmodelle sind für uns genauso selbstverständlich wie spezielle Gesprächsforen zum Thema Frauenförderung. Beim Recruiting achten wir darauf, dass jeweils ein Berater und eine Beraterin am Auswahlgespräch teilnehmen. Das ist wichtig, damit Bewerberinnen von Anfang an wissen, dass sie sich hier als Frau nicht allein auf weiter Flur bewegen. Die Zeiten, in denen Beraterinnen als exotisch empfunden wurden, sind längst vorbei.
In Zahlen ausgedrückt heißt das?
Naujoks: Unsere US-Kollegen rekrutieren gleich viele, also 50 zu 50, männliche wie weibliche Jungberater. Bei uns in Deutschland liegt die Quote der weiblichen Berufsanfänger