Auf das Image seines ehemaligen Arbeitgebers McKinsey hat sich Guptas Verurteilung bislang nicht negativ ausgewirkt. Was ihren Wertekanon angeht, ist die Firma jedoch bis ins Mark erschüttert.
Selbstbereicherung und Selbstüberhöhung gehörten für den Urvater der McKinsey-Leitlinien Marvin Bower zu den Sünden, die er strikt verabscheute. Der New Yorker Wirtschaftsanwalt Bower stieß 1933 zur Unternehmensberatung McKinsey. Er leitete den Laden von 1950 bis 1967 und entwickelte nach dem Tod von James Oscar McKinsey das Leitbild der Firma, das bis heute gilt. Bower war überzeugt, dass McKinsey seine hohen professionellen Standards nur einhalten könnte, wenn sich die Berater an strikte Regeln halten: Zum Beispiel die Interessen der Kunden stets über die der Firma zu stellen, hohe ethische Standards zu erfüllen sowie die Geschäftsgeheimnisse der Kunden absolut vertraulich zu behandeln.
Wer das weiß, kann sich vorstellen, wie tief der Schock gewesen sein muss, als Dominic Barton, der amtierende Weltchef von McKinsey, zum ersten Mal erfuhr, dass gleich zwei seiner ehemaligen Kollegen in den größten Insiderskandal der US-Geschichte rund um den Hedgefonds Galleon verwickelt waren. Der eine - Anil Kumar - war zum Zeitpunkt, zu dem er dem Hedgefonds-Manager Rai Rajaratnam Kundeninformationen gegen Geld verriet - sogar noch als Partner für McKinsey tätig und wurde bereits im vergangenen Jahr von einem US-Gericht des Insiderhandels für schuldig befunden. Der andere - Rajat Gupta - erhielt jüngst Mitte Juni sein Strafurteil von einem Bundesgericht in Manhattan. Gupta (63) war von 1973 bis 2007 für McKinsey tätig, also 34 Jahre lang. Von 1996 bis 2003 war er sogar Weltchef von McKinsey. Er galt überdies als Lichtgestalt der amerikanischen Wirtschaft, als Philantrop mit untadeliger Moral. Das alles änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass ihm ein paar Telefonate, die das FBI abhörte, zum Verhängnis wurden.
2008 hatte Gupta - damals noch Verwaltungsratsmitglied der US-Investmentbank Goldman Sachs - auf dem Gipfel der Finanzkrise seinem langjährigen Freund, dem Hedgefondsmanager Raj Rajaratnam gesteckt, dass der Großinvestor Warren Buffet fünf Milliarden Dollar in Goldman investieren werde. Rajaratnam nutzte das Insiderwissen, um kurz vor Börsenschluss 217.000 Goldman-Aktien zu kaufen.
McKinsey hofft nun, dass mit dem Urteil endlich ein Leben nach Gupta beginnen kann. Bereits im Frühjahr 2011 verschärfte die Unternehmensberatung die Vorschriften zu privaten Investments und zum Aktienbesitz ihrer Mitarbeiter. Zudem sind heute bei McKinsey spezielle Schulungen für die Berater Pflicht, "um jedem klarzumachen, was der Begriff Insiderinformatonen alles umfasst". Eine bange Frage aber bleibt im Raum, die sich unweigerlich stellt, vorausgesetzt man betrachtet die Unternehmensleitlinien von McKinsey nicht als reine Marketinghülse, sondern nimmt sie ernst: Wie konnte es dazu kommen, dass McKinsey bei seinem rigiden Auswahlverfahren übersah, dass ausgerechnet in der obersten Etage Berater reüssierten, die nicht die Kraft hatten, den strengen McKinsey-Regeln zu entsprechen? McKinseys Kunden hat der Fall Gupta jedoch bislang nicht dazu veranlasst, die Zusammenarbeit aufzukündigen.
(25. November 2011 und 18. Juni 2012) Quelle: Financial Times