Knapp sechs Monate bekleidete Michael Gschrei das Amt, um das der Münchner so lange gekämpft und das zuvor über Jahrzehnte fest in der Hand der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gewesen war. Gschrei gründete 2005 gemeinsam mit anderen Vertretern kleinerer und mittlerer WP-Gesellschaften den Verband wp.net, vor allem um der Übermacht der Big Four der Branche entgegen treten zu können. Gschrei, schreibt die FAZ, sei in der Branche lange Zeit als Querulant gehandelt worden, organisierte jedoch eine Opposition von unten und schaffte es im Herbst 2011 zur völligen Überraschung der Etablierten der Branche einen fulminanten Wahlerfolg bei den Kammerwahlen davonzutragen. Die Wirtschaftsprüferkammer wird heute von Vertretern des Verbandes wp.net dominiert.
Gschreis Rücktritt wertete die FAZ als Reaktion auf Widerstand aus den Reihen des Vorstands der Kammer. Gegenüber der Zeitung erklärte Gschrei, dass ohne einen Vorstand, der mitzieht, ein Präsident handlungsunfähig sei. Gschrei, dem selbst Kritiker aus den Reihen der großen Gesellschaften attestieren, während seiner Amtszeit eine steile Lernkurve hingelegt zu haben, reichte seinen Rücktritt ein, obwohl ihn Mitglieder des Beirats zum Bleiben aufgefordert haben sollen.
Der Bayer hatte sich unter anderem für eine unternehmensgrößenabhängige Prüfung und für eine Gebührenordnung stark gemacht und war als Kammerpräsident sehr aktiv. Insider gehen jedoch davon aus, dass einige seiner Weggefährten aus der Riege der kleineren WP-Gesellschaften ihm ab einem bestimmten Zeitpunkt in den Rücken gefallen seien. Jetzt stehen Neuwahlen an. Dafür werden nicht alle Wirtschaftsprüfer wieder an die Wahlurne gebeten. Der neue Kammerpräsident wird vom Beirat der Wirtschaftsprüferkammer gewählt.
(10. März 2012) Quellen: FAZ, Pressemitteilung der Wirtschaftsprüferkammer