Für fünf Millionen Euro hat Deutschlands größte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in Frankfurt ein Experience Center eröffnet. Laut Finance Magazin soll die neue Abteilung PwC-Kunden „die disruptive Kraft der Digitalisierung erfahrbar machen“. Insgesamt plant PwC in Deutschland in den nächsten fünf Jahren 250 Millionen Euro in das Thema Digitalisierung zu investieren. Eine Reaktion auf das stagnierende Stammgeschäft mit den Abschlussprüfungen.
Weil dort kaum noch große Zuwächse zu erzielen sind, investiert PwC wie auch die anderen drei großen Big Four-Gesellschaften KPMG, Deloitte und EY in den Ausbau seiner Beratungsangebote. Und das tun auch die PwC-Wettbewerber mit großem Erfolg: EY hat wie Deloitte 2016 zum ersten Mal sogar mehr Geld in der Beratung umgesetzt als in der Prüfung.
Auch PwC setzt ebenfalls auf seine boomende Advisory-Sparte. Mehr als ein Viertel der Mitarbeiter arbeitet schon im Beratungssegment. PwC-Advisory-Chef Martin Scholich ist überzeugt, dass sein Haus durch die Kombination aus Beratung zu Regulatorik, Strategie, M&A, Technologie und mehr etwas bieten, mit dem Strategieberater gar nicht aufwarten können. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfügten über eine jahrzehntelange Erfahrung, die sie durch die für ihren Berufsstand typisch tiefen Einblicke in Unternehmen gewonnen hätten. Die Kunden wünschten sich heute Berater, die ihnen nicht nur die Strategie liefern, sondern sie auch bei deren Umsetzung unterstützen – also alles integriert von der Strategie bis zur Umsetzung anbieten könnten.
PwC hat dies in mehreren Schritten vorbereitet: 2013 übernahm das Haus den amerikanischen Strategieberater Booz & Company mit rund 3.000 Mitarbeitern (heute: Strategy&). 2014 kaufte PwC den Duisburger IT-Spezialisten Cundus AG mit fast 150 Mitarbeitern. Cundus hatte schon zuvor große Dax-Konzerne zu Business Intelligence- und Analytics-Fragen beraten. PwC stützt heute sein Advisory-Geschäft auf Strategie- und Managementberatung, Technologie- und Data-Analytics-Beratung sowie Corporate Finance-Beratung. „Im Gegensatz zu einem reinen Strategieberater haben wir echte Technologiespezialisten an Bord. Und im Vergleich zu den anderen Big Four punkten wir mit echten Strategieberatern“, erklärt Scholich. Im Oktober 2016 erklärte Walter Sinn, Deutschlandchef der Strategieberatung Bain & Company, dass die Wirtschaftsprüfer nicht in derselben Liga wie die Strategieberater spielten. Jetzt konterte Peter Gassmann, Deutschlandchef von PwC Strategy&: „Es gibt kein Projekt, bei dem wir nicht gegen einen reinen Strategieberater antreten könnten. In Zukunft werden wir die großen Strategieprojekte machen“.
Eine klare Kampfansage an die traditionellen Strategieberater McKinsey, BCG und Bain. Deshalb geht es bei PwC auch mit den Zukäufen weiterer Spezialberater weiter: Sobald Expertisen benötigt werden, versucht PwC, aber auch die anderen der Big Four, entsprechende Spezialisten zu übernehmen. PwC kaufte etwa 2016 die IT-Berater Persicon und Outbox, hält aber auch noch nach weiteren Zukäufen Ausschau. Einziger Unterschied zu den Wettbewerbern aus den Big Four: PwC hat als einziges Haus eine Strategieberatung gekauft. Allerdings ist mit Deloitte ein starker Konkurrent im Kampf um Strategieprojekte mit ins Boot gestiegen. Ohne das anorganische Wachstum ist Deloitte im Beratungssegment wesentlich stärker gewachsen als PwC – und zwar doppelt so stark. Damit dürfte vor allem Deloitte der stärkste Konkurrent für PwC sein, wenn es darum geht, das traditionelle WP- Geschäftsmodell umzubauen.
Quelle:finance-magazin.de, 17. Februar 2017