Weinberger, berichtet die Financial Times, gehöre zu den einflussreichsten Lobbyisten der USA: Für US-Konzerne wie Microsoft, Pfizer oder General Electric setzte der studierte Jurist in Washington Ende der 90er Jahre Steuererleichterungen in Milliardenhöhe durch. 2002 half er als Chefberater für Steuerfragen im US-Finanzministerium Präsident George W. Bush Steuerkürzungen in Milliardenhöhe durch den Senat zu bringen. Jetzt entschieden die Partner von Ernst & Young, dass er im kommenden Jahr den amtierenden Ernst & Young-Chef Jim Turley ablösen soll, der das 154.000-Mann-Unternehmen seit 2001 leitet und dann in den Ruhestand gehen will.
"Weinbergers Wahl zum Weltchef ist eine bemerkenswerte Personalie", urteilt Arvind Hickman, Redakteur des renommierten Branchenblatts International Accounting Bulletin in London. "An die Spitze von Prüfungsgesellschaften gelangten bislang üblicherweise Partner, die sich über Jahre innerhalb des eigenen Hauses verdient gemacht hatten. Erst nach ihrer Karriere wechselten sie dann in die Industrie oder auf die Regierungsseite." Weinberger hat sich hingegen auch unabhängig von Ernst & Young in politischen Kreisen als Koryphäe für Steuerfragen einen Namen gemacht.
Weinbergers Karriere ist von gleich mehreren Seitenwechseln geprägt: Bei Ernst & Young stieg der Sohn eines Klempners und einer Hausfrau aus Scranton, Pennsylvania, 1987 ein. 1996 kehrte er jedoch Ernst & Young den Rücken und gründete gemeinsam mit Gleichgesinnten eine eigene Lobbying-Firma für Steuerangelegenheiten namens Washington Counsel, auf deren Kundenliste rund 70 führende US-Unternehmen standen. US-Präsident Bill Clinton ernannte Weinberger zum Berater in Sachen Sozialversicherung. 2000 kaufte Ernst & Young Washington Counsel auf. Nach seinem Ausflug in die operative Regierungsarbeit kehrte Weinberger schließlich Mitte 2002 zu Ernst & Young zurück, wo er heute dem höchsten Geschäftsführungsorgan angehört und die weltweite Gruppe für Steuerfragen leitet.
Brancheninsider vermuten, dass Weinbergers Ernennung ein Signal dafür ist, dass Ernst & Young in den USA, aber auch weltweit verstärkt in das Verwaltungs- und Regierungsgeschäft einsteigen will. "Zudem drohen den Prüfern in den USA wie in Europa harte Regulierungen", sagt Journalist Hickman. "Da kann ein Mann an der Spitze, der sich im politischen Geschäft auskennt und bestens verdrahtet ist, von Vorteil sein."
(06.02.2012) Quellen:Financial Times, eigene Recherchen