"Systemisches Denken ist das A und O"

Personalberater Roman Müller-Albrecht, Geschäftsführer von Gemini Executive Search aus Bad Homburg, über Jobchancen im Supply Chain Management.

Herr Müller-Albrecht, als Personalberater bei Gemini Executive Search sind Sie auf die Direktansprache von Topmanagern in den Bereichen Logistik, Supply Chain Management und Einkauf spezialisiert. Ab wann sind Fach- und Führungskräfte aus diesem Feld für Sie als Headhunter besonders interessant?

Wir interessieren uns für Logistiker, Supply Chain Manager und Einkäufer, die mindestens fünf Jahre im Berufsleben stehen und sich in ihrem ureigensten Feld in besonderem Maße verdient gemacht haben. Das können zum Beispiel Menschen sein, die erfolgreich internationale Logistikströme aufgebaut und gemanagt oder die neue Geschäftsmodelle entwickelt und umgesetzt haben.

Welche Kompetenzen sind in der Logistik besonders gefragt?

Systemisches Denken ist das A und O. Logistiker müssen in der Lage sein, unterschiedlichste Systeme miteinander in Einklang zu bringen. Es geht immer darum, die entscheidenden Stellhebel zu identifizieren, die Prozesse, Lieferketten, Daten- und Finanzströme, aber auch Innovationspartnerschaften besonders gut funktionieren lassen.

In welchen Feldern erwarten Sie in den nächsten drei bis fünf Jahren die besten Jobchancen?

In der Kontraktlogistik. Reine Speditionsunternehmen, die Güter von A nach B transportieren, sind heute nicht mehr effizient. Die erfolgreichen Logistikdienstleister dringen immer tiefer in die Wertschöpfungsketten ihrer Kunden vor. Für einen Hersteller zum Beispiel erledigt der Logistiker heute längst nicht mehr nur den Transport der fertigen Ware. Der Service umfasst mittlerweile alles, was jenseits von Forschung und Entwicklung, Produktion, Markting und Vertrieb stattfindet - also alles vom Einkauf bis zur Just-in-time-Lieferung der Bauteile bis hin zur Fakturierung und Rechnungsstellung an die Kunden.

Wie werden Sie auf Talente aufmerksam?

Meist durch Empfehlungen aus der Branche selbst. Personalberater lesen aber auch regelmäßig die Fachpresse. Wenn ein Fachartikel besonders kundig geschrieben ist, weckt das meine Aufmerksamkeit genauso wie ein besonders spannender Vortrag, den ein Manager auf einer Fachtagung hält. Zudem verfügen wir als Personalberatung natürlich auch über eine Datenbank, in die wir die Lebensläufe von potentiellen Kandidaten einpflegen, die bei uns vorstellig werden.

Was raten Sie Hochschulabsolventen, die jetzt ins Berufsleben einsteigen?

Wer langfristig Karriere machen will, tut gut daran, seinen ersten Job bei einem international tätigen Logistikdienstleister anzutreten. Je größer und internationaler, desto besser. Denn je arbeitsteiliger Unternehmen funktionieren, desto professioneller sind auch meist ihre Prozesse. Für ein Großunternehmen als ersten Arbeitgeber spricht zudem, dass der Jobwechsel von großen zu kleinen Unternehmen fast immer klappt. Der Wechsel vom kleinen zum großen hingegen eher schwierig ist. Abraten würde ich davon, nach der Uni direkt in der Supply Chain Management-Abteilung eines kleinen oder mittelgroßen Unternehmens anzufangen. Der Einstieg bei einem Logistikdienstleister bietet die besseren Chancen auf einen breiten Erfahrungsschatz.

Das Gespräch führte Julia Leendertse

(3. August 2010)

Interview