Hinter der crowd-basierten, israelischen Online-Beratung Wikistrat steht Joel Zamel. Erhält er einen Auftrag, sucht er zwischen 50 und 100 Analysten aus seinem Fundus aus, die dann gemeinsam in einem Chatraum an einem Papier schreiben. Jeder kann ergänzen, schreiben, ändern und löschen sowie sich mit den anderen via Chatfenster austauschen. Am Ende erscheinen alle Texte in einem Abschlussbericht zum jeweiligen Thema. So spielten Anfang 2016 140 Analysten unter anderem als Assad-Loyalisten, Russen und Kurden die möglichen Auswirkungen einer türkischen Intervention im Syrien-Konflikt durch – lange Zeit bevor dieses Szenario tatsächlich Wirklichkeit wurde.
Kritiker werfen dieser wie auch ähnlichen Plattformen vor, dass man auf ihnen keine sensiblen und vertraulichen Daten diskutieren könne, weil die Gefahr groß sei, sie könnten in falsche Hände geraten. Wissenschaftler der London Business School und der Havard Business School halten dagegen. Vertrauliche und nicht-vertrauliche Bereiche zu trennen, sei auch auf solchen Plattformen möglich – und die Ergebnisse der Online-Beratungen seien so wertvoll, dass man sich nicht davon abhalten lassen solle, die Schwarmintelligenz zu nutzen. So gab es beispielsweise schon Aufträge für Wikistrat von den Wirtschaftsprüfungen EY und Deloitte. McKinsey hingegen zweifelt an, dass man der notwendigen Vertraulichkeit der Kundenschaft gegenüber gerecht werde.
Wer als Hobby-Berater hier auf eine Karriere und vor allem gute Bezahlung hofft, wird vermutlich enttäuscht. Experten sind überzeugt, dass Wikistrat ziemlich zeitintensiv ist, aber die Bezahlung unsicher. Wie viel Analysten verdienen, verrät die Plattform nicht. Klar ist nur, dass die Bezahlung aus einem Festbetrag pro Analyse und einem Bonussystem resultiert. Das Bonussystem belohnt die Quantität, aber auch die Qualität der Beiträge. Die wir durch die Anzahl von „Likes“ von anderen Analysten gemessen und läuft unter der Bezeichnung: „Competitive Collaboration“ – Zusammenarbeit in Konkurrenz.
Quelle:FAZ, 21. November 2016